Photographische Gesellschaft
Das Comité der Photographischen Gesellschaft in Wien fotografiert von Victor Angerer (Detail), in: Photographische Correspondenz, 14. Jg., Nummer 164 (1877).
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Die 1861 gegründete Photographische Gesellschaft in Wien widmete sich neben der Interessensvertretung von Fotografen der Forschung, Entwicklung und öffentlichen Verbreitung von Fotografie. Ab 1864 publizierte der Verein die Zeitschrift Photographische Correspondenz und beteiligte sich 1888 an der Gründung der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren.
Die Fotografie erlebte um 1850 in ganz Europa einen Aufschwung, besonders in England und Frankreich kommerzialisierte sich das Gewerbe, was mit der Gründung von Vereinen wie der Royal Photographic Society und der Société francaise de photographie einherging. Auch in Wien lag es im Interesse der Handelskammer, dass sich die gewerbetreibenden Fotografen nach ausländischem Vorbild organisieren sollten. Mitglieder der losen Gemeinschaft der »Fürstenhofrunde«, des Niederösterreichischen Gewerbevereins und des Polytechnischen Instituts gründeten am 22. März 1861 die Photographische Gesellschaft in Wien mit dem Zweck der »Vervollkommnung, Ausbreitung und möglichste[n] Förderung der Photographie«. Zu den wohl bekanntesten Gründungsmitgliedern gehörten August Artaria, Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer, Ludwig Angerer, Emil Hornig und Joseph Petzval, die Anton Georg Martin zum ersten Vorstand wählten.
Der Verein zählte anfangs rund hundert Mitglieder, die sowohl aus dem Amateur- als auch professionellen Bereich kamen: Wissenschaftler, Physiker, Chemiker, Berufsfotografen, Kunsthändler, Optiker, Pharmazeuten, Künstler, Reproduktionstechniker und Verleger, die teilweise auch Mitglieder in anderen Vereinen – zum Beispiel dem Alterthumsverein, der Genossenschaft bildender Künstler Wiens, dem Verein Österreichischer Buchhändler oder dem Alpenverein – waren und dort wiederum neue Impulse zur Fotografie verbreiteten. Die Photographische Gesellschaft stand auch staatlichen Einrichtungen wie der Hof- und Staatsdruckerei und dem Militärgeographischen Institut nahe und machte renommierte Fachleute wie die Brüder Lumière zu Ehrenmitgliedern um den internationalen Austausch zu fördern. Neben regelmäßigen Versammlungen, Vorträgen und Ausstellungen leistete die Vereinigung auch einen wichtigen Beitrag zur Erforschung und Entwicklung fotografischer Techniken, baute eine Fachbibliothek auf, gab ab 1864 die Zeitschrift Photographische Correspondenz heraus, versuchte Fragen des Urheberrechts in der Fotografie zu klären und honorierte besondere Leistungen mit Auszeichnungen und Preisen wie der Voigtländer-Medaille.
Obwohl die Mitglieder in den Anfangsjahren aus der gesamten Monarchie stammten, etablierten sich in den 1880ern Fotovereine in Prag und Budapest und auch die künstlerisch und technisch experimentierfreudigeren Amateurvereine wurden besonders ab den 1890ern populärer. Die eher generalistische Interessensvertretung der Photographischen Gesellschaft verlor Mitglieder an andere Vereine, teilweise gab es auch Doppelmitgliedschaften, jedoch hielten sich vor allem die Berufsfotografen neuen ästhetischen Ansätzen gegenüber eher verschlossen. Die Gesellschaft beteiligte sich nicht an den bereits in den frühen 1870er Jahren einsetzenden Diskursen zu Ästhetik, sozialen und wohltätigen Überlegungen, sondern fokussierte auf die »Pflege der wissenschaftlichen und technischen Seite der Photographie«. Sie statteten 1885 ein Labor mit modernsten photographischen Geräten aus, das an Josef Maria Eder – einem Dozenten für Fotochemie an der Technischen Hochschule Wien und Mitglied der Photographischen Gesellschaft – übergeben wurde.
Da der wissenschaftlich-technisch geprägte Aufschwung und die rasche Weiterentwicklung der Reproduktionstechniken nach mehr Fachkräften verlangten, kam von Eder die Idee einer staatlichen Ausbildungsstätte: 1888 eröffnete die k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren (heute: Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt) als erste Fotografiefachschule Europas, die international zum Vorzeigeinstitut wurde.
Um die Jahrhundertwende war die Photographische Gesellschaft zwar auf über hundert Mitglieder angewachsen, jedoch stammten diese größtenteils aus Wien. Der Verein verlor an Internationalität und durch die Gründung neuer, konkurrierender Vereine zusätzlich seinen Alleinvertretungsanspruch. Seit 1889 gab es den Club der Amateur-Photographen (ab 1893 Camera-Club), doch besonders die 1905 gegründete Genossenschaft für Fachphotographen, die als Vertretung der gewerblichen Lichtbildner fungierte und sich für die Ausbildungsregelung, eine kartellartige Wettbewerbsbeschränkung und den Schutz vor Amateuren sowie eine Kranken- und Unterstützungskasse einsetzte, schwächte die Photographische Gesellschaft. Sie zählte bis zum ersten Weltkrieg zu den bedeutendsten Fotografenvereinigungen Europas. Der Zerfall des Habsburgerreiches, die Weltwirtschaftskriese und spätestens die Zeit des Nationalsozialismus führten zum Niedergang der Photographischen Gesellschaft.
Literatur und Quellen
- N. N.: Statuten der Photographischen Gesellschaft in Wien, in: Zeitschrift für Fotografie und Stereoskopie. Organ der fotografischen Gesellschaft Wien, Band 5 (1862).
- Photographische Gesellschaft. www.photographische-gesellschaft.at (18.09.2020).
- O. Prelinger: Ein Rückblick auf 50 Jahre, in: Photographische Correspondenz, 48. Jg., Nummer 605 (1911).
- Michael Ponstingl: Die Explosion der Bilderwelt. Die Photographische Gesellschaft in Wien 1861–1945. Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich. Band 6, Wien 2011.