Karl Lueger

Karl Lueger fotografiert von Johann Victor Krämer, um 1900
© ALBERTINA, Wien

Karl Lueger im »Südlichen Rauchersalon«, Wiener Rathaus, um 1907, Wien Museum
© Wien Museum

Der Wiener Bürgermeister Karl Lueger gilt heute als einer der ersten modernen, populistischen Kommunalpolitiker. Bereits in der Zeit der Jahrhundertwende arbeitete er gezielt und opportunistisch mit antisemitischen und deutsch-nationalen Polemiken, die er in sein politisches Programm integrierte und daraus Profit schlug.

Karl Lueger wurde am 24. Oktober 1844 in Wien als Sohn eines Saaldieners an der Technischen Hochschule geboren. Trotz dem niedrigen Standes seiner Familie besuchte er die Theresianische Akademie und studierte ab 1862 Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach seiner Promovierung 1870 legte er die Advokatenprüfungen ab und eröffnete seine eigene Kanzlei, die er bis 1896 führte.

Lueger war schon früh politisch engagiert. Als Gegner der liberalen Stadtregierung wurde er 1875/76 Mitglied des Wiener Gemeinderates, wo er für ein universelles Wahlrecht unabhängig des jeweiligen Einkommens eintrat. Dieses Vorhaben wurde in der Wahlreform 1885 umgesetzt und begünstigte so den politischen Aufstieg Luegers. Mithilfe von antisemitischen Parolen, sozialen Inhalten und deutsch-nationalen, christlichen Werten, erreichte er die Mobilisierung der verunsicherten Massen und gründete die Christlichsoziale Partei [heute: ÖVP].

Durch Antisemitismus zum Bürgermeister
In den Jahren 1893 bis 1895 war Lueger Stadtrat mit Ambitionen auf das Bürgermeisteramt. 1895 war seine Partei so erstarkt, dass er tatsächlich zum Bürgermeister gewählt wurde. Die Resonanz fiel jedoch nicht nur positiv aus. Aufgrund seiner Hetzparolen gegen Juden, Ungarn und der Missachtung der Staatsorgane, bekleidete er vorerst nur das Amt des Vizebürgermeisters. Erst nach fünfmaliger Wahlwiederholung und gegen den Willen von Kaiser Franz Joseph I. wurde er am 20. April 1897 offiziell als Bürgermeister von Wien bestätigt. 

Dass Lueger seine politische Macht durch bewusst eingesetzte Hetze gegen die jüdische Bevölkerung erlangt hatte, blieb auch in Literatenkreisen nicht weiter unkommentiert. 1910 kritisierte der Schriftsteller Felix Salten Lueger, der den Antisemitismus salonfähig gemacht hatte:

»Der allgemeinen Unzufriedenheit den Weg in die Judengassen weisen; dort mag sie sich austoben. Ein Gewitter muß [!] diese verdorbene Luft von Wien reinigen. Er läßt [!] das Donnerwetter über die Juden niedergehen. Und man atmet auf.«

Auch Saltens enger Freund Arthur Schnitzler thematisierte in seinen Dramen Professor Bernhardi und Der Weg ins Freie den Judenhass der Wiener Bevölkerung, den Lueger kalkuliert schürte.

Enthüllung des Lueger-Denkmals im Versorgungsheim Lainz, 8. September 1906, Wien Museum
© Wien Museum

Luegers Wirken in der Stadt Wien
Trotz seiner überaus fragwürdigen politischen Methoden gehen zahlreiche, bis heute gültige soziale Reformen und Projekte auf die Regierung Karl Luegers zurück.

Während seiner 13jährigen Amtsperiode kam es zur Kommunalisierung der wichtigsten Versorgungsposten der Stadt Wien und dem damit verbundenen Einhalt von Monopolisierung. Neben dem Übergang der Elektrizitätswerke und des Straßenbahnbetriebs in städtische Verwaltung initiierte er auch eine Stadterweiterung jenseits der Donau.

Sozialpolitische Neuerungen umfassten die Einrichtung eines Arbeitsvermittlungsamts, die Gründung des Zentralrats des Armenwesens sowie die Errichtung eines städtischen Waisenhauses und des Versorgungsheims Lainz. Das Schulwesen wurde ausgebaut sowie das Kaiser-Jubiläums-Theater (heute: Volksoper) und die Wiener Urania errichtet. Weiters wurde der Zentralfriedhof erweitert und ein Leichenbestattungsunternehmen für die arme Bevölkerung gegründet.

Karl Lueger, Detail aus Gustav Klimt: Zuschauerraum im alten Burgtheater, 1888, Wien Museum
© Wien Museum

Leichenbegängnis des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger am Ring, 14. März 1910, Wien Museum
© Wien Museum

Gustav Klimt vergisst auf Karl Lueger
1888 erhielten Gustav Klimt und Franz Matsch von der Stadt Wien den Auftrag den Zuschauerraum des alten Burgtheaters vor dessen Abriss ein letztes Mal fest zu halten. Mit 133 detaillierten Miniaturporträts gibt Klimts Aquarell einen umfangreichen Überblick über die wichtigsten Personen der Wiener Gesellschaft. Dass Klimt bei seinem Zuschauerraum im Alten Burgtheater (1888, Wien Museum) beinahe ein gesellschaftlicher Fauxpas passiert wäre, schildert eine Anekdote seines Bruders Georg Klimt aus dem Jahr 1929:

»Das Bild ist von Ausstellungen hinlänglich bekannt und jeder weiß, dass darauf die bekanntesten Wiener Persönlichkeiten der damaligen Zeit porträtgenau festgehalten sind. Auch sich selbst und seinen Bruder Ernst hat Klimt in das Parkett hineingestellt. Als das Bild schon fertig war, wurde aber ein großer Fehler entdeckt, es fehlte noch jemand, auf den Klimt vergessen hatte, nämlich: Lueger.«

Welche Bedeutung Karl Lueger schon damals für die Wiener Politik hatte, zeigt sich dadurch, dass Gustav Klimt gebeten wurde das Porträt des populären Politikers nachträglich in das Werk einzubinden. Georg Klimt erinnerte sich: 

»Der Gemeinderat, der das bemerkte, erklärte: ›Der Lueger muss noch drauf, sonst ist’s eine schwere Sache im Budget.‹ Also suchte Klimt noch nach einem Plätzchen im Parkett für den Bürgermeister von Wien [Anm.: Bei Vollendung des Gemäldes 1888 war Lueger noch nicht Bürgermeister sondern Gemeinderat.] und so konnte das Bild für die städtischen Sammlungen angekauft werden.«

Karl Lueger verstarb am 10. März 1910. Seine letzte Ruhestätte befindet sich in einer von Max Hegele entworfenen Gruft in der Wiener Borromäus-Gedächtniskirche [heute: Lueger-Gedächtniskirche] am Zentralfriedhof.

Literatur und Quellen

  • Wien Geschichte Wiki. Karl Lueger. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Karl_Lueger (31.03.2020).
  • Sueddeutsche Zeitung. www.sueddeutsche.de/kultur/wiener-moderne-wie-gustav-klimt-mit-dem-rechtspopulismus-seiner-zeit-umging-1.3848120 (31.03.2020).
  • Österreichische Biographisches Lexikon. Karl Lueger. www.biographien.ac.at/oebl/oebl_L/Lueger_Karl_1844_1910.xml (31.03.2020).
  • Die Welt der Habsburger. Sag’ zum Abschied leise Servus: Der Umzug des alten Burgtheaters ins neue Haus am Ring. www.habsburger.net/de/kapitel/sag-zum-abschied-leise-servus-der-umzug-des-alten-burgtheaters-ins-neue-haus-am-ring (31.03.2020).
  • Rainer Metzger: Lueger, Wagner, Wien um 1900 (26.05.2010). www.artmagazine.cc/content48093.html (31.03.2020).
  • Leopold Wolfgang Rochowanski: Intimes von Klimt, in: Neues Wiener Journal, 13.01.1929, S. 19.
  • Felix Salten: Lueger, in: Das österreichische Antlitz. Essays, Berlin 1910, S. 127-142.
  • Christfried Tögel, Liselotte Pouh: Ein neuentdeckter Brief Sigmund Freuds. Ein neuentdeckter Brief Sigmund Freuds. www.freud-biographik.de/salten.htm (25.11.2021).
  • Felix Salten: Erinnerung an Lueger. Lueger-Denkmal, in: Neue Freie Presse, 19.09.1926.