Italien
Gustav Klimt: Brief von Gustav Klimt in Venedig an Anna und Ernest Klimt sen. in Wien, 08.06.1890, Albertina
© ALBERTINA, Wien
Gustav Klimt: Bewegtes Wasser, 1898, Privatbesitz
© Private collection, Courtesy Kallir Research Institute, New York
Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Ravenna an Anna Klimt in Wien, 03.12.1903, Albertina
© ALBERTINA, Wien
Gustav Klimt: Judith II (Salome), 1909, Ca'Pesaro - Galleria Internazionale d'Arte Moderna
© Photo Archive - Fondazione Musei Civici di Venezia, Foto: Claudio Franzini
Österreichischer Pavillon, Fotografie aus der Mappe "Internationale Kunstausstellung Rom 1911", 1911
© Klimt-Foundation, Wien
Gustav Klimt: Kirche in Cassone am Gardasee, 1913, Privatbesitz
© Sotheby's
Bildungsreisen und Ausstellungsbeteiligungen führten Gustav Klimt zumindest sieben Mal nach Italien. Die vor Ort gewonnenen Eindrücke beeinflussten maßgeblich sein Schaffen.
1890 und 1899: Die ersten Italienreisen
Auch wenn Gustav Klimt – für den »das Heimweh schon in Villach begann« – ungern verreiste, hielt er sich zumindest sieben Mal in Italien auf. Nicht nachweisbar ist eine Fahrt, die vermutlich bereits gegen Ende der 1880er-Jahre stattgefunden hatte und ihn nach Norditalien führte. Der erste belegte Italienaufenthalt ereignete sich im Jahr 1890. Gemeinsam mit seinem Bruder Ernst begab er sich im Frühsommer nach Triest und Venedig. Sie besichtigten u.a. die Kathedrale San Giusto, Schloss Miramare und einen Dampfer des Österreichischen Lloyds. Zudem schilderte Klimt seine Eindrücke in einem am 8. Juni verfassten Brief aus »Wehnedig« an die Eltern:
»Wir führen hier ein Prasserleben, essen, trinken, schauen und schlafen, mit dem Geld zurückbringen wird sich‘s colossal spießen, denn ganz Venedig hält die Hand auf und unsere Lire schmelzen schauerlich. Der Fraß, obwohl auf Wiener Art, läßt manches zu wünschen übrig, Trinkwasser ist sehr warm, wir müßen uns fleißig an das Bier halten, Grazer Fabrikat und sehr gut.«
Das Frühjahr 1899 war abermals von einem rund zehntägigen Italienaufenthalt geprägt, der Klimt und die Reisegesellschaft der Familie Moll nach Florenz, Genua, Verona und Venedig führte. Auch der Fotograf und spätere Auftraggeber Klimts, Hugo Henneberg, dessen Frau sowie die Künstler Wilhelm Legler und Josef Engelhart waren Teil dieser Entourage. Die Reise diente einerseits der künstlerischen Inspiration und Bildung, andererseits war Klimt an der Biennale, der »III. Esposizione Internazionale d‘Arte della Città di Venezia«, beteiligt. Er präsentierte Bewegtes Wasser (1898, Privatbesitz) und Dame im Fauteuil (Dämmerung) (1897/98, Privatbesitz). In der Lagunenstadt wurde eine sich anbahnende Liaison zwischen Klimt und der jungen Alma durch Moll entdeckt. Ein Zerwürfnis der beiden Gründungsmitglieder der Wiener Secession drohte, konnte jedoch nach der Rückkunft in Wien abgewandt werden.
1903: Venedig, Ravenna und die Gardasee-Premiere
Vier Jahre später, im Frühjahr und Winter 1903, bereiste Klimt Italien zwei weitere Male. Im Mai verweilte er, neben Venedig, in Ravenna. Die dort besichtigte byzantinische Kunst beflügelte ihn zu einer zweiten Reise, die von 28. November bis 10. Dezember stattfand. Auch die Städte Padua, Florenz, Pisa und Mantua wurden besichtigt. Der Aufenthalt endete am Gardasee.
Klimts Begleiter war Maximilian Lenz, Maler und Mitglied der Wiener Secession. Lenz führte ein Reisetagebuch, welches 1933 von Wilhelm Dessauer in der Zeitschrift Österreichische Kunst publiziert wurde. Klimts »stumme, niemals aufflammende« Begeisterung für insbesondere Ravennas Kulturstätten wurde darin eindrücklich beschrieben:
»Ravenna, das eigentliche Reiseziel, ist erreicht; Gustav Klimts Schicksalsstunde ist da. Denn die goldschimmernden Mosaiken der ravennatischen Kirchen machen einen ungeheuren, entscheidenden Eindruck auf ihn. […] Klimt war wirklich erschüttert. Er äußerte nichts, aber man sah es deutlich. […].«
Klimt selbst erwähnte in einer Korrespondenz mit Emilie Flöge von Anfang Dezember in zurückhaltender Manier seine »sehr starken Kunsteindrü[c]ke«. Darüber hinaus empfand er Ravenna als eine Stadt, die »viel armseliges« zeigte, die Mosaiken, die er in San Vitale studieren konnte, waren jedoch »von unerhörter Pracht«. Die güldene byzantinische Mosaikkunst fand eindrücklichen Niederschlag in Klimts Gemälden Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie New York, New York) und Porträt Fritza Riedler (1906, Belvedere, Wien). Auch der ab 1904 in Auftrag gegebene Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) für das gleichnamige Brüsseler Palais dürfte maßgeblich durch das Studium der Mosaiken beeinflusst worden sein. Zudem erinnerten Ludwig Hevesi Partien des Fakultätsbildes Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) an die »Mosaikgemälde, wie die Byzantiner sie gemacht in der sogenannten Nacht des Mittelalters«.
1906: Florenz
Eine Ansichtskarte an seine Schwester Johanna »Fanny« Klimt vom 7. Dezember 1906 weist darauf hin, dass Klimt in diesem Jahr nach Florenz fuhr. So schickte er Grüße »aus dem jetzt leider nicht sonnigen Italien«. Der Anlass dieser Reise ist nicht bekannt, möglicherweise aber in Verbindung mit einem Besuch der Villa Romana zu sehen. 1905 zogen Max Klinger und der Deutsche Künstlerbund Klimt für einen ein- oder halbjährigen Studienaufenthalt in dieser Florentiner Unterkunft in Betracht, wie ein Brief von Klinger an Moll belegt. Das Malergenie lehnte jedoch ab und schlug Maximilian Kurzweil für diese frühe Form der »Artist in Residence« vor.
1910: Venedig
Nach Klimts erster Biennale-Teilnahme 1899 und einer abgelehnten Anfrage für die VI. Biennale 1905, präsentierte sich der Künstler 1910 auf der »IX. Esposizione Internazionale d‘Arte della Città di Venezia« prominent mit einer Einzelausstellung. Klimt selbst reiste, wohl aus Zeitmangel, weder zum Aufbau noch zur Eröffnung nach Venedig. In Saal 10 zeigte er 22 Gemälde, darunter einige vom Attersee und dessen malerischer Umgebung inspirierte Landschaften, Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d‘Arte Moderna e Contemporanea, Rom), Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie New York, New York) oder auch das Doppelporträt Freundinnen I (Die Schwestern) (1907, Klimt-Foundation, Wien). Das Gemälde Judith II (Salome) (1909, Ca‘Pesaro-Galleria Internazionale d‘Arte Moderna, Venedig), das ebenfalls ausgestellt war, wurde von der städtischen Galerie von Venedig für fast 16.000 Kronen (ca. 93.000 Euro) angekauft.
1911: Rom
Ende März 1911 verweilte Klimt in der italienischen Hauptstadt, er nächtigte im Grand Hotel de Russie. Grund war seine Teilnahme an der imposanten »Internationalen Kunstausstellung«, die anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Vereinigung Italiens ausgerichtet worden war. Für den österreichischen Pavillon und die Ausstellungsgestaltung zeichnete Josef Hoffmann verantwortlich. Klimt präsentierte acht Gemälde und vier Zeichnungen, darunter Tod und Leben (Tod und die Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13, 1916/17, Leopold Museum, Wien), Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) und auch Porträt Emilie Flöge (1902/03, Wien Museum, Wien). Auch Die drei Lebensalter sollten abermals ausgestellt werden. Diese Allegorie gelangte schlussendlich jedoch nicht zur Präsentation, möglicherweise aufgrund eines bereits vereinbarten Verkaufes an die Galleria Nazionale d‘Arte Moderna e Contemporanea. Klimt wurde auf dieser Schau mit einem mit 10.000 Lire (ca. 58.000 Euro) dotieren Geldpreis ausgezeichnet. Für welches seiner ausgestellten Werke er diese monetäre Anerkennung erhielt, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden.
1913: Gardasee
Zwei Jahre später verweilte Klimt gemeinsam mit Familie Flöge vermutlich auf Einladung von Familie Zuckerkandl von 31. Juli bis 10. September 1913 ein letztes Mal in Italien. Seine Reise führte ihn dieses Mal an den Gardasee. Vermutlich nächtigte die Reisegesellschaft in der Herberge Albergo Morandi in Tremosine oder in der Villa Gruber (heute: Hotel Bellevue San Lorenzo) in Dosso di Ferri auf der Halbinsel Val di Sogno. Die ihn umgebende Natur und die malerisch am See gelegenen Städte inspirierten ihn zu seinen einzigen nicht österreichischen Landschaftsgemälden: Italienische Gartenlandschaft (1913, Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm), Kirche in Cassone am Gardasee (1913, Privatbesitz) und Malcesine am Gardasee (1913, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen). Über Tirol und den Attersee trat Klimt die Heimreise nach Wien an.
1914: Rom
Für die im Februar 1914 im Palazzo d‘Esposizione eröffnete »II. Esposizione Internationale d‘Arte della Secessione« wurden bis dato keine Quellen gefunden, die einen persönlichen Besuch Klimts in Rom belegen. Der von Dagobert Peche mit segmenthaft inszenierten Draperieelementen gestaltete Saal 4, der dem Bund Österreichischer Künstler vorbehalten war, inkludierte jedenfalls auch Klimts Gemälde Porträt Mäda Primavesi (1913, The Metropolitan Museum of Art, New York) und belegt somit einer weitere Ausstellungsbeteiligung Klimts in Italien.
Literatur und Quellen
- Ludwig Hevesi: Acht Jahre Sezession (März 1897–Juni 1905). Kritik – Polemik – Chronik, Wien 1906.
- Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
- Stephan Koja (Hg.): Gustav Klimt. Landschaften, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 23.10.2002–23.02.2003, München 2002, S. 116-117.
- Alfred Weidinger: Die Landschaften, in: Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007, S. 140-173.
- Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 219-226, S. 279-284.
- Stefan Lehner: Ausstellungen. Gustav Klimt und Josef Hoffmann, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011, S. 274-285.
- Sandra Tretter, Peter Weinhäupl: I viaggi in Italia di Klimt: una fonte di ispirazione per la sua arte, in: Maria Vittoria Marini Clarelli (Hg.): Klimt. La Secessione e l’Italia, Museo di Roma, Ausst.-Kat., Museo di Roma (Palazzo Braschi, Rom), 27.10.2021–27.03.2022, Rom 2022, S. 17-33.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Malcesine am Gardasee an Anna Klimt in Wien (10.09.1913). GKA40.
- Brief von Max Klinger in Florenz an Carl Moll (01.11.1905).
- Brief von Max Klinger an Carl Moll (vor Januar 1905).
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Ravenna an Emilie Flöge in Wien (12/02/1903).
- Brief von Gustav Klimt in Venedig an Anna und Ernest Klimt sen. in Wien (08.06.1890). GKA42.
- Wilhelm Dessauer: Gustav Klimts Winterreise nach Italien. Unveröffentlichte Erinnerungen des Malers Lenz, mitgeteilt von Wilhelm Dessauer, in: Österreichische Kunst, 4. Jg., Heft 3 (1933), S. 11-12.