Atelier Josefstädter Straße 21

Einblick in die Josefstädterstraße mit dem Theater in der Josefstadt, vor 1905, Wien Museum
© Wien Museum

Moriz Nähr: Gustav Klimt im Hinterhofgarten seines Ateliers in der Josefstädter Straße, Mai 1911, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Moriz Nähr: Haus in der Josefstädter Straße, Mai 1911, Albertina, Wien, Widmung des Vereins der Freunde des Kunsthistorischen Museums
© ALBERTINA, Wien

Moriz Nähr: Vorraum von Gustav Klimts Atelier in der Josefstädter Straße, Mai 1911, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

1890 bezog Gustav Klimt noch gemeinsam mit Ernst Klimt und Franz Matsch sein neues Atelier in der Josefstädter Straße 21. Bald darauf verstarb Ernst und einige Jahre später löste sich die Ateliergemeinschaft auf. Franz Matsch überließ Gustav Klimt das Atelier, welches dieser insgesamt zwanzig Jahre lang nutzen sollte.

Nachdem sich für die Brüder Klimt und Franz Matsch der finanzielle Erfolg eingestellt hatte, mieteten sie ein Atelier in Wien VIII, Josefstädter Straße 21, direkt gegenüber dem Theater in der Josefstadt. Vermutlich war Franz Matsch, der in derselben Straße auf Hausnummer 23 lebte und dort aufgewachsen war, auf das vakante Gebäude im Besitz von Ferdinand Leonhardt aufmerksam geworden. Wie Gustav Klimt später selbst berichtete, gingen die jungen Künstler nie einen schriftlichen Mietvertrag mit Leonhardt ein, sondern einigten sich auf mündlicher Basis.

Franz Matsch zieht aus
Nur zwei Jahre nach dem Einzug starb Ernst Klimt, was zur Folge hatte, dass Gustav Klimt und Franz Matsch fortan nur noch zu zweit in ihrem neuen Atelier arbeiteten. Zudem nutzte Gustav Klimt von 1898 bis 1907 noch ein Atelier in der Florianigasse für Arbeiten an den Deckenbildern für die Aula der Universität Wien.

Spätestens 1905 zerbrach dann auch noch die restliche sogenannte »Künstler-Compagnie« im Zuge des Skandals um die Fakultätsbilder. Matsch und Klimt mussten einsehen, dass sie sich stilistisch so sehr auseinander entwickelt hatten, dass ein gemeinsames Arbeiten an Aufträgen nicht mehr denkbar war. Zudem hatten sich Franz Matschs Lebensumstände nach seiner Heirat mit Theresia Kattus und der Errichtung einer eigenen Villa vollkommen verändert.

Matsch hatte schon ab 1897 in Lehmann‘s Allgemeinem Wohnungsanzeiger seine Atelieradresse auf Silbergasse 60 (das Atelier in der Villa Kattus, die den Eltern seiner Frau gehörte) ändern lassen. Trotzdem ist er bei Lehmann‘s immer noch als Mitglied der Ateliergemeinschaft »Franz Matsch und Gebrüder Klimt« verzeichnet, die weiterhin an der Adresse Josefstädter Straße 21 gemeldet blieb. Vermutlich hatte er ab 1897 das Atelier in der Josefstädter Straße nur noch sporadisch genutzt.

Zwei Jahre später ließ Matsch den Zusatz »Fr. Matsch und Gebr. Klimt« komplett aus dem Lehmann-Eintrag zu seiner Person entfernen und meldete seine Adresse auf seine neu erbaute Villa Matsch mitsamt angrenzendem Atelier um, wo er fortan arbeitete. Das »Maler-Atelier Franz Matsch und Gebrüder Klimt« wird zwar gesondert noch bis 1902 in Lehmann’s angeführt, dürfte sich aber wahrscheinlich schon 1899 inoffiziell aufgelöst haben. Klimt ist jedenfalls von 1902 bis 1904 nur mit seiner Wohnadresse Westbahnstraße 36 als Maler verzeichnet (vermutlich weil er vorrangig in der Florianigasse arbeitete) und erst danach gibt es wieder einen Eintrag zu einem Atelier in der Josefstädter Straße 21. Diesmal wird erstmals nur Gustav Klimt als dort tätiger Künstler angeführt. Irgendwann in der Zeitspanne von 1899 bis 1905 dürfte Franz Matsch also endgültig das Atelier geräumt haben, welches Gustav Klimt fortan alleine nutzte.

Der Streit um die Fakultätsbilder, der vielfach in Zeitungsartikeln thematisiert wurde, brachte viel unerwünschte Aufmerksamkeit mit sich. Daher zog sich Klimt in die Abgeschiedenheit seiner Werkstätte zurück. Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Künstlern, hielt er sein Atelier vor der Öffentlichkeit verborgen. Das einstöckige Biedermeierhäuschen, das idyllisch in einem Hinterhof mit Garten versteckt lag, kam ihm dabei mit Sicherheit gelegen.

Das Atelier von innen und außen
Das Atelier in der Josefstadt wurde dankbarerweise vor seinem Abriss im Sommer 1912 durch Moriz Nähr, einen mit Klimt befreundeten Fotografen, anhand von Innen- und Außenansichten fotografisch dokumentiert. Zusätzlich kann das Aussehen des Hauses durch Erzählungen von Zeitgenossen rekonstruiert werden.

Bei dem sogenannten »Gartenpavillon« in der Josefstädter Straße 21 handelte es sich um ein kleines, einstöckiges Haus im Biedermeierstil, das unpraktischerweise nur auf einer Längsseite Fenster hatte. Gerade für ein Künstleratelier war so ein einseitiger Lichteinfall nicht unbedingt von Vorteil. Der gut gepflegte Hinterhofgarten diente dem naturliebenden Künstler als Ruheort und Inspirationsquelle.
Im Inneren des Hauses gab es drei hintereinander gelegene Arbeitsräume, ursprünglich einer für jeden der drei Maler der »Künstler-Compagnie«. Die Fotografien Nährs zeigen Möbel, die von der Wiener Werkstätte nach dem Entwurf des befreundeten Künstlers Josef Hoffmann für Klimt als Geschenk angefertigt worden waren. Es handelte sich dabei um einen großen Wandschrank, ein Kästchen für Malutensilien, einen Arbeitstisch mit Lehnstuhl, einen Beleuchtungskörper, sowie zwei Stühle mit dazugehörigem Tisch. Aus der Korrespondenz zwischen Gustav Klimt und Marie Zimmermann ist bekannt, dass diese Möbel erst Ende 1903 in das Atelier kamen. Der Gewohnheitsmensch Klimt war über diese, ursprünglich als Überraschungsgeschenk gedachte Veränderung anscheinend nicht glücklich gewesen: »Der Herr aus dem Cottage Viertel [Anm.: vermutlich Fritz Waerndorfer] wollte in meiner Abwesenheit das Atelier auf seine Kosten herrichten lassen, als Überraschung [...] die Hausbesorgerin ließ es nicht zu – sonder[n] fragte bei mir an – ich hatte alle Mühe die sonst ganz löbliche Absicht zu nichte zu machen – ich kann solches unter den gegenwärtigen Umständen bei der vielen Arbeit und meine[r] Aufregung absolut nicht brauchen, die Sache wurde verschoben bis nach der Ausstellung«. Die Möbel kamen dann nach Beendigung der »Klimt-Kollektive« 1903 in das Atelier. Die von Hoffmann geplante, komplette Umgestaltung der Räume (inklusive Tapeten, Böden, Vorhänge etc.) zu einem »vorzeige« Jugendstilraum, verweigerte Klimt jedoch.

Arbeiten und leben in der Josefstadt
Während Klimt das Atelier in der Josefstadt nutzte, entstanden etliche Hauptwerke seines Œuvres. Nach dem Tod seines Vaters und Bruders 1892 und der Auflösung der »Künstler-Compagnie« durchlebte er eine existenzielle Krise, die mit seiner künstlerischen Neuorientierung endete. In der Josefstädter Straße 21 schuf Klimt die gesamten Werke der Goldenen Periode, er trat aus dem Künstlerhaus aus und war Mitbegründer der Secession. In seinen Monumentalwerken, Der Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien) und Der Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) vereinigte er Kunsthandwerk und Malerei und revolutionierte so das Kunstverständnis seiner Zeit.

Klimt hielt sich oft tagelang in seinem Atelier auf. Zahlreiche Briefe an Freunde und Verwandte zeigen, dass seine Arbeitsstätte seinen eigentlichen Lebensmittelpunkt bildete. So bat er sie, nicht an seine Wohnadresse zu schreiben bzw. zu kommen, sondern in sein Atelier. Umso härter muss es den Gewohnheitsmenschen getroffen haben, dass sein Vermieter Ferdinand Leonhardt das Haus 1911 trotz gegenteiliger mündlicher Versicherungen verkaufte. Er zwang Klimt noch in den Sommermonaten zum Auszug, da das Gebäude abgerissen werden sollte. Bereits kurz danach bezog Gustav Klimt sein neues Atelier in der Feldmühlgasse 9 (heute Nr. 11), wo er bis zu seinem Tod bleiben sollte.

Literatur und Quellen

  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, Felizitas Schreier, Georg Becker (Hg.): Gustav Klimt. Atelier Feldmühlgasse 1911–1918, Wien 2014.
  • Mona Horncastle, Alfred Weidinger: Gustav Klimt. Die Biografie, Wien 2018.
  • Herbert Giese: Franz von Matsch – Leben und Werk. 1861–1942. Dissertation, Wien 1976.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Chiffre: Sehnsucht – 25. Gustav Klimts Korrespondenz an Maria Ucicka 1899–1916, Wien 2014.
  • Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 33. Jg. (1891), S. 779.
  • Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 39. Jg., Band 1 (1897), S. 701.
  • Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 47. Jg., Band 1 (1905), S. 1213.
  • Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 41. Jg., Band 1 (1899), S. 734.
  • Brief von Gustav Klimt an Maria Zimmermann (Oktober 1900). S64/13.
  • Alfred Deutsch-German: Im Atelier Gustav Klimmt's, in: Neues Wiener Journal, 01.10.1899, S. 4.
  • Hans Koppel: Bei Gustav Klimt, in: Die Zeit, 15.11.1903, S. 4-5.