Atelier Feldmühlgasse 11
Moriz Nähr: Garten und Außenansicht von Gustav Klimts Atelier in der Feldmühlgasse, Mai 1917, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien
1911 bezog Gustav Klimt das Atelier in der Feldmühlgasse 11 (ehemals Feldmühlgasse 9). Das abgelegene, naturverbundene Atelier in Hietzing war die letzte Werkstätte des Künstlers. Nach Klimts Tod 1918 blieben zahlreiche Bilder unvollendet auf ihren Staffeleien zurück.
Nach dem Abriss von Gustav Klimts altem Atelier in der Josefstadt, vermittelte ihm sein Freund und Malerkollege Felix Albrecht Harta ein Häuschen in Hietzing mit Adresse Feldmühlgasse 9 (heute: Nummer 11), nicht unweit von seinem eigenen Atelier (Feldmühlgasse 12). Die Räumlichkeiten samt Garten wurden 1917 vom befreundeten Fotografen Moriz Nähr dokumentiert. Zusätzlich schildern diverse Berichte von Freunden und Zeitgenossen die letzte Wirkungsstätte Klimts.
Von der Anlage her wies das neue Atelier große Ähnlichkeit zu jenem in der Josefstädter Straße auf. Die Aufnahmen Nährs zeigen ein kleines, einstöckiges Biedermeierhaus mit blühendem Obst- und Blumengarten. Egon Schiele berichtete, dass sich Klimt, der ja bereits in der Josefstadt mit fehlendem Tageslicht zu kämpfen hatte, diesmal zwei große Fenster einbauen ließ, um genügend Licht zu haben.
Moriz Nähr: Empfangszimmer von Gustav Klimts Atelier in der Feldmühlgasse, vermutlich 1917, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
Gustav Klimt: Porträt Friederike Maria Beer, 1916, Tel Aviv Museum of Art, The Mizne-Blumental Collection
© Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv, Foto: Elad Sarig
Das Wiener Werkstätte-Mobiliar, welches ihm Fritz Waerndorfer und Josef Hoffmann (Begründer der Wiener Werkstätte und gute Freunde des Malers) geschenkt hatten, wurde an die neue Adresse übersiedelt. Im Gegensatz zum alten Atelier in der Josefstädter Straße erlaubte Klimt Hoffmann nun endlich die gesamten Räumlichkeiten als durchgehenden Jugendstilraum zu gestalten.
In seinen zahlreichen Schränken bewahrte Klimt seine ethnografische Sammlung auf. Diese umfasste japanische Kimonos, japanische Farbholzschnitte, chinesische Malereien, afrikanische Plastiken und eine japanische Rüstung. Ab 1912 dienten Klimt diese exotischen Objekte vermehrt als Inspirationsquellen für das Dekor seiner Porträts. Für den Hintergrund des Porträt Friederike Maria Beer (1916, Museum of Art, Mizne-Blumenthal Collection, Tel Aviv) verwendete Klimt, laut Maximilian Eisler, Motive einer chinesischen Vase aus der kaiserlichen Manufaktur in Jingdezhen im Stil der »grünen Familie« (famille verte). Diese exotischen Darstellungen kombinierte er mit einem Kleid der Wiener Werkstätte, einem von Dagobert Peche entworfenen Modell namens »Marina«. In der Spätphase von Klimts Schaffen fanden immer mehr Objekte und damit Motive aus seiner ethnographischer Sammlung Verwendung in seinen Gemälden. Er konzentrierte sich vorwiegend auf die Rezeption von Tier- und Blumenmotiven sowie Menschendarstellungen aus asiatischen Kunsthandwerksgegenständen, die er im Hintergrund platzierte. Außerdem hüllte er seine Frauen zunehmend in exotische Gewänder aus seiner Sammlung. Als Beispiel hierfür seien Dame mit Fächer (1917/18 (unvollendet), Privatbesitz) und Die Freundinnen II (1916/1917, 1945 auf Schloss Immendorf verbrannt) genannt.
Im Atelier Feldmühlgasse entstanden neben zahlreichen Gemälden auch unzählige Zeichnungen - zumeist zu Studienzwecken- die Klimt laut Zeitgenossen-Berichten einfach in Stapeln auf dem Boden seines Ateliers aufbewahrt haben soll.
Moriz Nähr: Garten und Pavillon von Gustav Klimts Atelier in der Feldmühlgasse, Mai 1917, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien
Gustav Klimt: Obstgarten mit Rosen, 1912, Privatbesitz
© Bridgeman Images
Moriz Nähr: Gustav Klimts Werkstattraum in der Feldmühlgasse, vermutlich 1917, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
Der Garten als Rückzugsort
»In meinem Lusthaus im Garten ein herrlichster Tag – betörende Luft – ein schöner Platz – bin wie am Lande«, schrieb Klimt in einer Ansichtskarte 1912 an Emilie Flöge.
Die Natur stellte für Klimt Zeit seines Lebens einen wichtigen Ort des Krafttankens dar und diente ihm als Inspirationsquelle. Während die Innenräume des Ateliers oft pragmatisch und unordentlich waren, wurde der üppige Garten mit Rosen, Blumen und Obstbäumen und -sträuchern von Klimt gehegt und gepflegt. In der Kunst um 1900 hatten die Natur und der Garten einen besonderen Stellenwert. Alle bedeutenden Ausstellungen der Jahrhundertwende, wie auch die von Klimt 1908 organisierte »Kunstschau Wien«, hatten eine eigene Gartenabteilung. Auf der Hohen Warte legte Josef Hoffmann im Zuge seines Bauprojekts für die sogenannte Künstlerkolonie neben der Gestaltung der Häuser auch auf die Planung der Gärten besonderen Wert. Zahlreiche bedeutende Künstler der Zeit, wie Claude Monet und Max Liebermann, hatten genau wie Klimt einen eigenen Garten, der oft als Sujet für ihre Werke diente. Auch für Klimt wurde sein Garten zum Motiv. Immer wieder wurde vermutet, dass das Gemälde Obstgarten mit Rosen (1912, Privatbesitz) einen Einblick in Klimts Ateliergarten wiedergibt. Vergleicht man die Gartenfotografien Moriz Nährs mit der Komposition des Obstgarten mit Rosen, so scheint es sich tatsächlich um dieselben Rosenstöcke unter (im Foto noch kahlen) Obstbäumen und denselben gegabelten Weg zu handeln. Klimt suchte seine Landschaftsmotive gewöhnlich während seiner Sommerfrische am Attersee, das Gemälde wäre somit das einzige Werk, das Klimts privaten Garten zeigt.
Gustav Klimts letzte Jahre
Klimt zog sich in seinen letzten Lebensjahren zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück und genoss die Abgeschiedenheit seines persönlichen »Hortus Conclusus« in der Wiener Vorstadt. Aus diesem idealen Zusammenwirken von künstlerischer Konzentration und meditativer Abgeschiedenheit entstanden in der Feldmühlgasse allegorische Schlüsselwerke wie Tod und Leben (Tod und Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13 und 1916/17, Leopold Museum, Wien) und Die Jungfrau (1913, Národní Gallerie, Prag).
Im Jänner 1918 erlitt Klimt einen Schlaganfall und musste daraufhin zuerst in ein Sanatorium und dann ins Allgemeine Krankenhaus eingeliefert werden. Schiele berichtete in einem Brief, dass kurz nach Klimts Hospitalisierung in das Atelier Feldmühlgasse eingebrochen wurde, ob etwas entwendet wurde bleibt jedoch unklar. Die Braut (1917/18, unvollendet, Klimt-Foundation, Wien) ist eines der letzten Werke, an denen Klimt in seinem Atelier gearbeitet hatte. Es blieb, wie eine Fotografie Moriz Nährs von 1917 zeigt, unvollendet auf der Staffelei zurück.
Nach Klimts Tod versuchte Egon Schiele das Atelier in der Feldmühlgasse zu übernehmen und für die Nachwelt zu bewahren. Er verstarb aber unglücklicherweise noch im selben Jahr. Emilie Flöge, die den Mietvertrag der Feldmühlgasse übernahm, kündigte diesen im Mai 1919. 1923 wurde das Biedermeierhäuschen durch eine neobarocke Villa überbaut. Die Grundstruktur der Atelierräume Klimts blieb jedoch erhalten. 1930 wurde das Grundstück in Feldmühlgasse 9 und 11 geteilt. Die Villa und somit das ehemalige Atelier befanden sich seitdem an der Nummer 11. 2012 wurde der ursprüngliche Zustand der Werkstatträume innerhalb des Gebäudes so gut wie möglich wieder hergestellt. Die sogenannte Klimt-Villa steht der Öffentlichkeit seither zur Besichtigung offen.
Literatur und Quellen
- Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
- Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, Felizitas Schreier, Georg Becker (Hg.): Gustav Klimt. Atelier Feldmühlgasse 1911–1918, Wien 2014.
- Mona Horncastle, Alfred Weidinger: Gustav Klimt. Die Biografie, Wien 2018.
- Sandra Tretter, Peter Weinhäupl: Gustav Klimt und sein »Werkstattgarten«, in: Irmi Soravia (Hg.): Hietzing, Wien 2019, S. 135-146.
- Ernst Ploil: Die Ateliers des Gustav Klimt, in: Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 98-107.
- Verena Traeger: Gustav Klimts ethnografische Sammlung, in: Sandra Tretter, Hans-Peter Wipplinger (Hg.): Gustav Klimt. Jahrhundertkünstler, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 22.06.2018–04.11.2018, Wien 2018.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Bad Gastein (23.06.1912). RL 2857, Leopold Privatsammlung.
- Brief von Egon Schiele an Anton Peschka (30.01.1918). S249.
- Max Eisler: Gustav Klimt, Wien 1920, S. 46.
- Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2017, S. 573, S. 576.