Oskar Kokoschka

Oskar Kokoschka, fotografiert von Wenzel Weis, 1909
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Oskar Kokoschka: Postkarte "Flötenspieler und Fledermäuse" der Wiener Werkstätte, 1907
© Klimt-Foundation, Wien

Oskar Kokoschka: Widmungsblatt für Gustav Klimt in Die träumenden Knaben, 1908/1968
© Klimt-Foundation, Wien

Oskar Kokoschka: Das Segelschiff aus Die träumenden Knaben, 1908
© Klimt-Foundation, Wien

Theo Zasche: Detailkarikatur des Gobelinentwurfs Die Traumtragenden von Oskar Kokoschka, in: Illustriertes Wiener Extrablatt, Wien, 28. Juni 1908, S.5
© Klimt-Foundation, Wien

Oskar Kokoschka: Plakat "Selbstbildnis mit Hand auf der Brust" für einen Vortrag im Akademischen Verband für Literatur und Musik, 1911/12
© Klimt-Foundation, Wien

Oskar Kokoschka: Der Maler Carl Moll, 1913
© Bibliothek des Belvedere, Wien

Der »Sturm- und Drangjüngling« Oskar Kokoschka gilt als einer der führendsten österreichischen Expressionisten. Seine Wurzeln fußten im Wiener Jugendstil, genährt durch die Verbindung zur Wiener Werkstätte und Gustav Klimt.

Oskar Kokoschka kam am 1. März 1886 im niederösterreichischen Pöchlarn als Sohn von Gustav und Maria Romana Kokoschka (geb. Loidl) zur Welt. Die ursprünglich aus Prag stammende Familie zog im Jahr darauf nach Wien. Nach dem Abschluss der k. k. Staatsrealschule (Wien-Währing) studierte er ab 1904 an der k. k. Kunstgewerbeschule, ermöglicht durch ein Staatsstipendium.

Kokoschka und die Wiener Werkstätte
Carl Otto Czeschka und Bertold Löffler zählten zu seinen Lehrern. Dies bot eine direkte Anbahnung an die Wiener Werkstätte und auch an Gustav Klimt. Schließlich durfte sich Kokoschka im Auftrag dieser innovativen Produktionsgemeinschaft in unterschiedlichen Gestaltungsmedien erproben. Er entwarf vor allem Postkarten, aber auch Bilderbögen und Fächer. Sein mit beweglichen Figuren und transparenten Farbzeichnungen visualisiertes Märchen Das getupfte Ei wurde 1907 im neu eröffneten Kabarett Fledermaus uraufgeführt, obgleich diese Premiere nicht von Erfolg gekrönt sein sollte.

»Gustav Klimt in Verehrung zugeneigt«
Spätestens ab 1907 begann Kokoschka die Arbeiten für Die träumenden Knaben, ein ursprünglich als Kinderbuch konzipiertes Druckwerk. Dieser Auftrag von Fritz Waerndorfer respektive der Wiener Werkstätte förderte seine künstlerische Entwicklung. Erste expressionistische Tendenzen begannen sich zu manifestieren. Es erschien im Frühjahr 1908 in kleiner Auflage. O. K., wie er signierte, widmete dieses Kunstbuch Klimt:

»Gustav Klimt in Verehrung zugeneigt«.

Diese Verehrung dem Malergenie gegenüber offenbart sich möglicherweise auch in der Darstellung zweier Männer im darin enthaltenen Blatt Das Segelschiff. Der Verkauf des Buches verlief schleppend, sodass Waerndorfer Czeschka gegenüber zynisch anmerkte:

»[…] Blöd sein die Leut, um 2000 Kronen kannst in einer Nacht Champagner verkaufen, den die Leut in der früh ausprunzen [!], aber um 2000 Kronen Bücher vom Kokoschka, das bringst in 10 Jahren nicht zusammen.«

»Ansunsten ist Kokoschka der krach [!] der Kunstschau«
Schließlich steuerte Kokoschka auf Einladung der Klimt-Gruppe für die »Kunstschau Wien 1908« einen Plakatentwurf bei und durfte einige Arbeiten ausstellen. Unter den vorrangig in Raum 14 gezeigten Werken befanden sich Zeichnungen, Die träumenden Knaben und das skandalträchtige, großformatige Triptychon Die Traumtragenden (Datierung und Verbleib unbekannt). Dieser für einen Gobelin angedachte Entwurf gilt heute als verschollen, ist allerdings durch eine Detailkarikatur von Theo Zasche und durch wenige, zeitgenössische Beschreibungen in den Grundzügen zu erahnen. Die verzerrte Darstellung der Figuren gebar einen Skandal, auch innerhalb der Klimt-Gruppe mehrte sich Kritik. Der Erinnerung Berta Zuckerkandls nach hielt Klimt diesen Stimmen jedoch entschieden entgegen:

»Wir sind dazu verpflichtet einem großen Talent die Möglichkeit der Aussprache zu geben. Kokoschka ist das größte Talent der jungen Generation. Und selbst wenn wir Gefahr liefen, dass unsere Kunstschau demoliert würde, nun, geht man eben zugrunde. Aber man hat seine Pflicht getan.«

Die »Kunstschau Wien 1908« sollte Kokoschka zu seinem Durchbruch verhelfen, trotz Kritik. Seine Zeichnungen kauften Emil Orlik, Kolo Moser und Franz Metzner und der Effekt war groß, »als am Eröffnungstag unter allen seinen Werken die Zettel ›Verkauft‹ prangten«. O.K. begegnete zudem Adolf Loos, ein verkannter und stiller Wertschätzer Klimts, zugleich Antipode zum vorherrschenden Kunstbegriff der Wiener Werkstätte und Wiener Secession.

Die Loslösung des »Oberwildlings« Kokoschka
Auch im Folgejahr präsentierte Kokoschka einige Werke auf der »Internationalen Kunstschau Wien 1909«. Außerdem wurde sein Stück Mörder, Hoffnung der Frauen, für welches er auch ein Plakat gestaltete, trotz Widerstandes uraufgeführt. Abermals provozierte er mit seiner Kunst. Loos avancierte in diesem Jahr zu seinem Mentor. Er half O. K., sich »von der Kunstgewerbeschule zu befreien« und »die Wiener Werkstätte loszuwerden.«. In der Folgezeit begegnete Kokoschka Karl Kraus sowie dessen Kreis und lernte die Galeristen und zukünftigen Unterstützer Herwarth Walden und Paul Cassirer kennen. Auch Franz Hauer, Förderer von Egon Schiele, und Dr. Oskar Reichel, der ebenfalls als Mäzen von Schiele und Max Oppenheimer auftrat, zählten zu seinen Befürwortern. Darüber hinaus war der Akademische Verband für Literatur und Musik in Wien für ihn ein wichtiges Netzwerk. Er hielt dort u.a. den Vortrag Von der Natur der Geschichte, für den er ein Plakat mit Selbstporträt beisteuerte.

Die weiteren Jahre
Nach längeren Aufenthalten in der Schweiz und Berlin, beteiligte sich O. K. 1911 relativ erfolglos an der »Sonderausstellung Malerei und Plastik« des Hagenbundes. Kokoschkas expressive Gemälde polarisierten abermals. Finanziell war er nicht gut aufgestellt, auch eine von 1912 bis 1913 andauernde Lehrtätigkeit als Assistent an der Kunstgewerbeschule verschaffte nur minimale Abhilfe. Etwa zeitgleich verspann er sich in eine exzessive Liaison mit Alma Mahler. Diese Verbindung bedeutete für ihn eine äußerst produktive künstlerische Phase, in der etwa Die Windsbraut (1913, Kunstmuseum Basel) entstand. 1914 hätte er das Wiener Werkstätte-Testimonial Friederike Maria Beer porträtieren sollen. Schiele erhielt einen Porträtauftrag kurz zuvor, Klimt folgte wenig später. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vereitelte das Vorhaben jedoch. 1915 trennten sich Alma und O. K.

Zu Beginn des Jahres 1916 beteiligte sich Kokoschka an der legendären »Wiener Kunstschau in der Berliner Sezession«. Er war dort mit sieben Werken vertreten, darunter das Porträt Der Maler Carl Moll (1913, Österreichische Galerie Belvedere, Wien). Franz Servaes äußerte sich in einer Rezension zur Ausstellung richtungsweisend:

»Doch scheint, daß seine starke Kraft jetzt auf dem Gebiete des Porträts, sowohl in der Kunst der Charakterisierung wie in einem fulminanten malerischen Vortrag, klarer zum Durchbruch kommt.«

Schiele, als weiterer Repräsentant der jungen Generation, war dort ebenso vertreten wie der Grandseigneur der österreichischen Kunst: Gustav Klimt. Schieles Entschwebung (Die Blinden II) (1915, Leopold Museum Privatstiftung, Wien) wurde auf dieser Schau gegenüber Klimts eindringlicher, allegorischen Darstellung Tod und Leben (Tod und Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13 und 1916/17, Leopold Museum, Wien) präsentiert.

Auch wenn Kokoschka im Sinne der Kunst der wilden Form des Expressionismus verpflichtet war, so blieb seine Anerkennung Klimt gegenüber bis zu dessen Tode erhalten. Als er vom Ableben des Malerfürsten erfuhr, schrieb er seiner Mutter:

»[…] ich habe über den armen Klimt, den einzigen von den österreichischen Künstlern, der Talent und Charakter hatte, geheult.«

Das Leben im Exil und die Annäherung an Österreich
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde er Professor an der Dresdner Akademie und unterhielt eine intensive Reisetätigkeit. In Prag lernte er seine Frau Oldriska-Aloise Palkovská (kurz: Olda) kennen. Nach der Beschlagnahmung seiner Werke durch die Nationalsozialisten und der Präsentation einiger Gemälde in der Ausstellung »Entartete Kunst« 1937 in München wurde eine Flucht unausweichlich. 1938 setzte er gemeinsam mit Olda nach Großbritannien über. Zwei Jahre nach Kriegsende reiste er erstmals wieder nach Wien. Seinen Wohnsitz fand er hingegen in Villeneuve am Genfer See. Im Sommer 1953 gründete Kokoschka in Salzburg die Schule des Sehens. 1973 folgte die Gründung des Vereins zur Erforschung und Dokumentation des Werkes Oskar Kokoschkas in Pöchlarn. Im Jahr darauf erhielt er die Ehrenstaatsbürgerschaft Österreichs. Kokoschka verstarb am 22. Februar 1980 in der Schweiz.

Literatur und Quellen

  • Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 234-293.
  • Patrick Werkner: Wien um 1909 – Kokoschka im Biotop der Avantgarde, in: Leopold Museum, Kunsthaus Zürich (Hg.): Oskar Kokoschka. Expressionist Migrant Europäer. Eine Retrospektive, Ausst.-Kat., Kunsthaus Zürich (Zürich), 14.12.2018–10.03.2019; Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 06.04.2019–08.07.2019, Berlin 2018, S. 34-39.
  • Heike Eipeldauer: »Ich ringe um die Frau« – Figurationen des Weiblichen im Frühwerk von Oskar Kokoschka, in: Leopold Museum, Kunsthaus Zürich (Hg.): Oskar Kokoschka. Expressionist Migrant Europäer. Eine Retrospektive, Ausst.-Kat., Kunsthaus Zürich (Zürich), 14.12.2018–10.03.2019; Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 06.04.2019–08.07.2019, Berlin 2018, S. 22-33.
  • Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an Carl Otto Czeschka, 06.06.1908, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
  • Markus Kristan: Kunstschau Wien 1908, Wien 2016.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 01.10.2008–18.01.2009, München 2008.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): KOKOSCHKA. Träumender Knabe – Enfant Terrible, Ausst.-Kat., , 24.01.2008–12.05.2008, München - Berlin - London - New York 2008.
  • Ludwig Goldscheider (Hg.): Kokoschka, Köln 1963.
  • Werner J. Schweiger (Hg.): Der junge Kokoschka. Leben und Werk 1904–1914, Wien 1983.
  • N.N.: Brief von Oskar Kokoschka an seine Mutter, in: Oskar Kokoschka (Hg.): Briefedition, Düsseldorf 1986, S. 284.
  • Berta Zuckerkandl: Als die Klimt-Gruppe sich selbstständig machte. Erinnerungen anlässlich der Kunstschau, in: Neues Wiener Journal, 10.04.1927, S. 8.
  • Richard Muther: Die Kunstschau, in: Die Zeit, 06.06.1908, S. 1-2.
  • Franz Servaes: Wiener Kunstschau in Berlin, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 38 (1916), S. 41-54.