Mileva Roller
Mileva Roller fotografiert von Madame d'Ora, 1908, Österreichische Nationalbibliothek, Wien
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
Mileva Roller war eine österreichische Malerin und Grafikerin. 1906 heiratete sie den bereits etablierten Künstler und Kunstpädagogen Alfred Roller. Sie arbeitete im Umfeld der Wiener Secession und war Teil der »Kunstschau Wien« sowie Mitglied im Bund Österreichischer Künstler. Gustav Klimt, das Ehepaar Teschner sowie das Ehepaar Hofmannsthal zählten zu ihrem engen Freundeskreis.
Mileva Antonia Roller, geb. Stoisavljevic, wurde am 18. Februar 1886 in Innsbruck geboren. Sie war die Tochter des österreichisch-serbischen Artillerieoffiziers Miloš Stoisavljevic und Adelheid Paukert-Hohenauer, einer Lehrerin für Porzellan-, Stoff- und Glasmalerei an der Wiener Kunstschule für Frauen und Mädchen. Neben ihrem Bruder Raoul Stoisavljevic hatte Mileva noch eine Halbschwester aus der zweiten Ehe ihrer Mutter.
Ausbildung und erste Erfolge
Von 1901 bis 1904 studierte Mileva an der k. k. Kunstgewerbeschule bei Rudolf von Larisch, Carl Otto Czeschka, Franz Metzner und ihrem zukünftigen Ehemann Alfred Roller. Besonders Roller förderte seine junge Schülerin, in der er einiges an Potential sah. Bereits 1902, noch während ihrer Studienzeit, konnte Mileva daher zahlreiche ihrer Werke in dem von Roller, Kolo Moser, Felician Myrbach und Josef Hoffmann herausgegebenen Vorlagenwerk Die Fläche publizieren. Für die Publikation, die Entwürfe und Anregungen für moderne Alltagsgrafik bieten sollte, schuf Mileva Geschäftskarten, ein Vorsatzpapier, Plakatentwürfe sowie diverse Zierleisten zur Buchillustration.
Beiträge in »Die Fläche«
Mileva Roller: Bucheinband, um 1903 auf der Ausstellung der Wiener Kunstgewerbeschule, in: Kunst und Kunsthandwerk. Monatsschrift des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, 6. Jg., Heft 5 (1903).
© MAK
Mileva Roller: Die graue Prinzeß, um 1903, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 6. Jg., Heft 12 (1903).
© MAK
Diese Entwürfe zeigten Milevas gekonnten künstlerischen Umgang mit dem Medium Holzschnitt. Stilistisch ist sie eindeutig von ihren secessionistischen Lehrern und Mentoren geprägt. Klare Umrisslinien und die ornamentale Auflösung von Bildobjekten in dekorativ gemusterte Flächen beherrschen die Darstellungen. Ihr Plakatentwurf einer Tänzerin in Heft 9 zeigt nicht nur die durch Hoffmann zu dieser Zeit vermehrt geprägte Tendenz hin zum Quadrat, sondern nimmt in ihren geschwungenen, planen, scherenschnittartigen Farbflächen auch die Plakatentwürfe für Tänzerinnen von Emil Pirchan in den 1910er Jahren vorweg.
1903 präsentierte Mileva im Rahmen der jährlichen Ausstellung der k. k. Kunstgewerbeschule einen Bucheinband mit jenem Muster, dass bereits im Vorjahr in der Fläche abgedruckt worden war. Die Initialen am Buchrücken erinnern stark an jene Künstlersignets, welche die Secessionisten für ihren Katalog der »Beethovenausstellung« 1902 entworfen hatten.
Ausstellungen und Künstlervereinigungen
Durch ihre Beziehung zu Alfred Roller verkehrte Mileva mit den Künstlern der Secession und wurde durch deren Schaffen künstlerisch nachhaltig beeinflusst. Da Frauen jedoch erst ab 1949 Mitglied der Secession werden durften, war Mileva selbst nicht Teil der Vereinigung. 1903 wurde jedoch einer ihrer Holzschnitte im 12. Heft der Vereinszeitschrift Ver Sacrum veröffentlichen.
Das Blatt mit dem Titel Die graue Prinzeß zeigt nicht nur die Vorliebe der Künstlerin für die Einteilung der Komposition in gemusterte Flächen, sondern zeugt auch von Milevas Begeisterung für moderne Kleidung. Die dargestellten Frauen tragen sogenannte Reformkleider. Dabei handelte es sich um moderne Kleidung für Frauen, die ohne Korsett auskam und zumeist ornamental gemusterte Stoffe nutzte. Diese Entwicklung stand in engem Zusammenhang mit der damals immer stärker werdenden Frauenrechtsbewegung. Der Einsatz von Reformmode in ihren Werken ermöglichte Mileva einen neuen Blick auf den weiblichen Körper und die Etablierung einer formlosen, fließenden Silhouette. Dass Mileva auch privat eine Vorliebe für diese zeitgenössischen Mode – die sich besonders im Umkreis der Secessionisten großer Beliebtheit erfreute – hatte, zeigt sich durch ihre umfangreiche Sammlung von modernen Reformkleidern um 1900, die sich im Bestand der Textilsammlung der Akademie für angewandten Kunst erhalten hat. Mileva besaß außerdem mehrere Gewänder und Schmuck der Wiener Werkstätte sowie von ihrer guten Bekannten Magda Mautner-Markhof entworfene Kleidung.
Mileva Roller: Entwurf für eine Vignette der Kunstschau Wien 1908, Theatermuseum, Wien
© KHM-Museumsverband
Mileva Roller in einem Gesellschaftskleid von Magda Mautner Markhof, 1908, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 23 (1908/09).
© Universitätsbibliothek Heidelberg
Kunstschau und Bund Österreichischer Künstler
Nach dem Austritt der Klimt-Gruppe aus der Secession und Milevas Hochzeit mit Alfred Roller 1906, steigerte sich die Zusammenarbeit zwischen Mileva und den Künstlern um Klimt. 1906 erschien in Wien im Verlag Hohe Warte das Büchlein Drei Puppenspiele von Joseph August Lux in einer limitierten Auflage von 300 Stück. Es wurde im Stile der Wiener Werkstätte durch Hoffmann ausgeführt und bebildert mit Grafiken von Moritz Jung, Mileva Stoisavljevic sowie deren Studienkolleginnen Nelly Marmorek, Emma Schlangenhausen und Agnes Speyer. Verwendet wurden jene Zierleisten, die bereits 1901 in der Fläche publiziert wurden.
1908 nahm Mileva an der »Kunstschau Wien 1908« teil. Diese wurde durch Gustav Klimt als Präsident und seinen Künstlerkollegen veranstaltet. Es wurde jedoch dezidiert davon Abstand genommen, sich zu einer offiziellen Vereinigung zu gruppieren. Für die Kunstschau entwarf Mileva zwei Plakate (Theatermuseum, Wien), die jedoch nicht zur Ausführung kamen. Auf der Ausstellung selbst war sie mit einer großen Schau ihrer Werke vertreten. Ganze 22 Objekte präsentierte die Künstlerin im Saal 21, darunter vorwiegend Grafiken sowie einen Fächer und zwei Miniaturen, von denen eine auf Pergament aus der Ausstellung gestohlen wurde. Zusätzlich diente Mileva gemeinsam mit Elena Luksch-Makowsky, der Frau von Richard Luksch, im Rahmen der Kunstschau als Modell für die neuesten Modekreationen der befreundeten Künstlerin Magda Mautner-Markhof. Zusammen mit Broncia Koller-Pinell, Editha Moser, Magda Mautner-Markhof und Elena Luksch-Makowsky zählte Mileva Roller zu jenen Künstlerinnen, die Seite an Seite, ebenbürtig mit ihren männlichen Kollegen, respektive Ehepartnern, ausstellten.
Als sich die Gruppe der »Kunstschau 1913« zu einer offiziellen Vereinigung mit dem Namen Bund Österreichischer Künstler unter der Präsidentschaft Klimts konstituierte, erhielt Mileva Roller eine offizielle Ernennung zum ordentlichen Vereinsmitglied. 1915 lud Klimt als Oberhaupt dieser Vereinigung alle Mitglieder zur Teilnahme an der »Wiener Kunstschau in der Berliner Secession 1916« ein. Auch Mileva erhielt eine solche Einladung, in der sie – vermutlich einem generalisierten Entwurf geschuldet – als »Geehrter Herr College« angesprochen wurde. Sie nahm jedoch nicht an dieser Ausstellung teil. Auch eine Beteiligung an anderen Schauen des Bundes Österreichischer Künstler ist nicht belegt.
Generell zog sich die Künstlerin vermehrt aus der Öffentlichkeit zurück. Vermutlich hatte Mileva ihre künstlerische Karriere nach der Geburt ihrer beiden Söhne 1909 und 1911 zugunsten der Familie eingeschränkt. Die Werke, welche in dieser Zeit entstanden, waren vorwiegend Geschenke für Freunde und Familie. Mileva, Dietrich und Ulrich – der wie sein Vater später Bühnenbildner wurde – waren vermehrt Sujets für die Kunstwerke Alfred Rollers. Dieser porträtierte wiederholt seine Frau, die für ihn zugleich auch seine Muse war.
Mileva Roller, Trudl Flöge, Emma Bacher-Teschner und Freunde am Bootssteg der Villa Paulick am Attersee
© Klimt-Foundation, Wien
Mileva Roller: Exlibris für Richard Teschner, Theatermuseum, Wien
© KHM-Museumsverband
Klimt, Teschner, Hofmannsthal – Künstlerfreunde
Der Kontakt zum Freundschaftskreis um Gustav Klimt riss auch nach Milevas Rückzug als aktive Künstlerin nicht ab. Mehrere Korrespondenzen aus den Jahren 1908 bis 1913 zeigen, dass es eine rege Freundschaft zwischen Klimt und dem Ehepaar Roller gab. Immer wieder besuchte Klimt die Familie, so beispielsweise auch am 23. Juni 1912:
»Danke bestens für die liebe Einladung ich leiste gerne Folge und komme morgen«
Mileva Roller versucht den Künstler 1908 davon zu überzeugen, die Familie auf der Sommerfrische in Schluderbach, Südtirol zu besuchen. Dieser sagte jedoch aus Zeitmangel aufgrund der aufgestauten Arbeit ab:
»Das Ehepaar Roller ist schwärmend u.[nd] entzückt von der überwältigenden Schönheit der Gegend von Schluderbach und laden mich dringendst ein allerbaldigst zu kommen, statt tel[e]grafisch zu zusagen muß ich ebenso absagen«
Auch zur Familie Teschner bestand ein gutes Verhältnis. Bereits 1906 hatte Richard Teschner Mileva eine seiner Radierungen Hirschpark (Theatermuseum, Wien) geschenkt und mit der Widmung: »Frau Stileva R in treuer Freundschaft –« versehen. Mileva entwarf für das befreundete Ehepaar sogar jeweils ein Exlibris. Jenes für Richard Teschner befindet sich heute im Theatermuseum in Wien, das für seine Frau Emma Bacher-Teschner in der Österreichischen Nationalbibliothek.
Eine Fotopostkarte von Richard Teschner, an seine Mutter adressiert, belegt, dass Mileva mit dem Paar 1917 gemeinsam Urlaub am Attersee machte. Die Fotografie, die eigenhändig von Emma Bacher-Teschner beschriftet worden war, zeigt Mileva gemeinsam mit Emma, deren Nichte Gertrude Flöge und zwei weiteren Damen am Bootssteg der Villa Paulick. Klimt reiste diesen Sommer jedoch nicht wie üblich zur Sommerfrische an den Attersee und war daher nicht Teil dieser Urlaubsrunde. Auch das Ehepaar Hofmannsthal zählte zum engen Freundeskreis des Roller Haushaltes und unterhielt regen Briefverkehr mit Mileva.
1935 starb Alfred Roller und ließ Mileva nach 29 Jahren weitgehend glücklicher Ehe als Witwe zurück. 1942 verstarb auch ihr Sohn Ulrich. Mileva Roller starb fünf Jahre später am 5. Juni 1949 in Wien und fand ihre letzte Ruhestätte wie ihr Mann und ihr Sohn auf dem Wiener Zentralfriedhof.
Literatur und Quellen
- Deutsche Biographie. Mileva Roller. www.deutsche-biographie.de/sfz107860.html (24.08.2020).
- Bundesministerium für Kunst und Kultur. www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/III-BR/III-BR_00282/imfname_040962.pdf (19.04.2020).
- belvedere. Stadt der Frauen. www.belvedere.at/stadt-der-frauen (19.04.2020).
- N. N.: Nachruf Raoul St., in: Salzburger Volksblatt: unabh. Tageszeitung f. Stadt u. Land Salzburg, 08.09.1930, S. 12.
- N. N.: Theater, Kunst und Literatur, in: Neues Wiener Tagblatt, 14.06.1908, S. 13-14, S. 14.
- Stella Rollig, Sabine Fellner (Hg.): Stadt der Frauen / City of Women. Künstlerinnen in Wien 1900–1938 / Female Artists in Vienna 1900–1938, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 25.01.2019–19.05.2019, München - New York - Wien 2019.
- Joseph August Lux: Drei Puppenspiele, Wien 1906.
- Marianne Mühlegger-Henhapel (Hg.): Hugo von Hofmannsthal, Alfred Roller, Richard Strauss, »Mit dir keine Oper zu lang…«. Briefwechsel, München - Wien 2021.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt an Attersee an Mileva Roller in Südtirol (09/09/1911). AM 47.396 Ro.
- Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an Mileva Roller in Klobenstein am Ritten (presumably after 1911). AM 47.394 Ro/1-2.
- Brief vom Bund Österreichischer Künstler in Wien an Mileva Roller, unterschrieben von Gustav Klimt (01/19/1913). AM 47.399 Ro.
- Korrespondenzkarte von Gustav Klimt in Wien an Mileva Roller in Wien (04/06/1911). AM 47.395 Ro.
- Korrespondenzkarte von Gustav Klimt in Wien an Mileva Roller in Wien (11/13/1911). AM 47.397 Ro.
- Korrespondenzkarte von Gustav Klimt in Wien an Mileva Roller in Wien (06/23/1912). AM 47.398 Ro.
- Korrespondenzkarte von Gustav Klimt, verfasst von fremder Hand, an Mileva Roller in Wien (11/16/1915). AM 47.400 Ro.
- N. N.: Die Ausstellung der Kunstgewerbeschule des k. k. österreichischen Museum, in: Kunst und Kunsthandwerk. Monatsschrift des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, 6. Jg., Heft 5 (1903), S. 173-196.
- Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 6. Jg., Heft 12 (1903), S. 221.
- N. N.: Katalog der Kunstschau Wien 1908, Ausst.-Kat., Ausstellungsbau Lothringerstraße (Wien), 01.06.1908–15.11.1908, Wien 1908.
- Wiener Allgemeine Zeitung, 02.07.1908, S. 3.
- Neuigkeits-Welt-Blatt, 29.08.1908, S. 5.
- Deutsche Kunst und Dekoration, Band 23 (1908/09), S. 67.
- Hohe Warte. Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jg. (1904/05), S. 256.