Ludwig Heinrich Jungnickel
Ludwig Heinrich Jungnickel, in: Radio-Wien, 14. Jg., Heft 6 (1937).
© Klimt-Foundation, Wien
Ludwig Heinrich Jungnickel war ein Tier- und Landschaftsmaler sowie Grafiker. Für die räumliche Ausschmückung des Palais Stoclet in Brüssel arbeitete er mit der Wiener Werkstätte und Gustav Klimt zusammen. Zu seinem engeren Bekanntenkreis gehörten der Schriftsteller Arthur Roessler und der Maler Egon Schiele.
Der Grafiker und Maler wurde 1881 im deutschen Oberfranken geboren. Ludwig Heinrich Jungnickel besuchte die Kunstgewerbeschule in München und zog nach einem kurzen Studienaufenthalt in Italien nach Wien. Es folgte ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien, das er jedoch wieder abbrach. Stattdessen besuchte er später die Wiener Kunstgewerbeschule des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (heute: MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien), wo er ein Semester lang von Alfred Roller unterrichtet wurde und für die überaus vielseitige Anwendung verschiedener Drucktechniken in seinem späteren Werk vorbereitet wurde. Jungnickel studierte danach für kurze Zeit in München, bevor er nach Wien zurückkehrte, um sein Studium an der Akademie der bildenden Künste wieder aufzunehmen.
Wiener Werkstätte und das Palais Stoclet
Nach der Jahrhundertwende begann Ludwig Heinrich Jungnickel, der bereits während seiner Studienzeit als freischaffender Künstler tätig war, für die Wiener Werkstätte zu arbeiten. In diesem Zeitraum erstellte Jungnickel unter anderem – im Auftrag von Josef Hoffmann – ein dekoratives und über ein Meter hohes Tier- und Blumenfries für ein Kinderzimmer im Palais Stoclet in Brüssel und seine prämierte Farbholzschnittserie Schönbrunner Tiertypen. Zudem beteiligte er sich 1908 an der von Gustav Klimt mit initiierten »Kunstschau Wien« sowie 1911 an der Internationalen Kunstausstellung in Rom, wo er einen Künstlerpreis erhielt.
Tier-Fries im Kinderzimmer des Palais Stoclet
Ludwig Heinrich Jungnickel: Pantherkopf, in: Die Graphischen Künste, 39. Jg., Heft 1 (1916).
© Universitätsbibliothek Heidelberg
Roessler, Schiele und Klimt
1911 verließ Jungnickel seine Wahlheimat für eine Lehrstelle an der Frankfurter Kunstgewerbeschule. Seine Lehrtätigkeiten beendete er jedoch im darauffolgenden Jahr und ging zurück nach Wien, wo er sich dauerhaft niederließ. In Wien hatte Jungnickel unter anderem engen Kontakt mit dem Schriftsteller Arthur Roessler und dem Maler Egon Schiele, dessen Atelier in der Grünbergstraße 31 im 12. Wiener Gemeindebezirk er später bewohnte. Von einem gemeinsamen Ausflug ins niederösterreichische Thallern im Mai 1914 sandte die Reisegesellschaft rund um Roessler und Jungnickel eine Ansichtskarte an ihren Künstlerkollegen Gustav Klimt.
Künstlerexil und Rückkehr in seine Wahlheimat
Jungnickel, der in der Zwischenkriegszeit noch viele Studienreisen unternahm und weiterhin große Erfolge als Grafiker feierte, emigrierte nach dem »Anschluss« Österreichs nach Istrien. Noch bis 1952 lebte er im Exil an der Adriaküste und kehrte danach wieder nach Österreich zurück. Er verstarb schließlich 1965 in Wien.
Literatur und Quellen
- Berta Zuckerkandl: Ludwig Heinrich Jungnickel – Frankfurt, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 32 (1913), S. 351-361.
- Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 3, Wien 1994, S. 401.
- Hans Volllmer (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker, Band XIX, Leipzig 1926, S. 330.
- Walter de Gruyter (Hg.): Allgemeines Künstler-Lexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Band LXXVIII, Berlin 2013, S. 516.
- Deutsches Volksblatt, 03.12.1911, S. 10.
- Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biografie, Band 10, Berlin 1974, S. 689-690.
- Peter Baum: Ludwig Heinrich Jungnickel. Zum Gedenken – Rückblick auf Leben und Schaffen des im Vorjahr verstorbenen Künstlers, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 11. Jg., Heft 84 (1966), S. 44-45.
- Neues Wiener Journal, 21.10.1918, S. 4.
- Max Eisler: Ludwig Heinrich Jungnickel, in: Dekorative Kunst. Illustrierte Zeitschrift für angewandte Kunst, Band 24 (1916), S. 331-335.
- Amelia Sarah Levetus: The lithographs of Ludwig Jungnickel, in: Studio. International art, Band 90 (1925), S. 228-232.