Egon Schiele

Egon Schiele fotografiert von Anton Josef Trčka, 1914
© ALBERTINA, Wien

Egon Schiele: Korrespondenzkarte von Egon Schiele in Wien an Arthur Roessler in Wien, 27.11.1910, Wienbibliothek im Rathaus
© Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung

Gustav Klimt: Tod und Leben (Tod und Liebe), 1910/11 (überarbeitet: 1912/13, 1916/17), Leopold Museum, Patron: Klimt-Foundation, Wien
© Leopold Museum, Wien

Egon Schiele: Gustav Klimt auf dem Totenbett (Detail), 07.02.1918
© Wien Museum

Egon Schiele: Plakat für die XLIX. Ausstellung der Wiener Secession, 1918
© Klimt-Foundation, Wien

Egon Schiele und Gustav Klimt stehen für zwei unterschiedliche Generationen herausragender Kunstschaffender der Wiener Moderne. Schiele, der den Weg des Expressionismus einschlug, erkannte in Klimt, dem Grandseigneur des Jugendstils, seinen Mentor.

Egon Schieles Hinwendung zur Kunst
Egon Schiele wurde am 12. Juni 1890 in Tulln an der Donau geboren. Nach einer durchwachsenen Schullaufbahn studierte er ab 1906 an der Akademie der bildenden Künste Wien, u.a. bei Christian Griepenkerl. 1908 präsentierte er erstmals einige Werke im Stift Klosterneuburg. Es kam dabei zu einer für die Zukunft des jungen Künstlers wichtigen Begegnung mit Heinrich Benesch. Überdies besuchte Schiele in diesem Jahr die von der Klimt-Gruppe organisierte und für ihn prägende »Kunstschau Wien«.

Schiele erwies sich als »unverbesserlicher unakademischer Widerspanst« und Griepenkerls antiquierte Lehrmethoden veranlassten ihn im Jahr 1909 nach einem Protestbrief seine Ausbildungsstätte zu verlassen. Es folgte die Gründung der Neukunstgruppe. Im Zuge einer Vorbesichtigung der ersten Ausstellung dieser neuen Formation im Dezember desselben Jahres im Kunstsalon Pisko lernte Schiele Arthur Roessler kennen. Dieser wurde für ihn ein unabdingbarer Vertrauter und Förderer. Roessler vermittelte den jungen Künstler wiederum an Carl Reininghaus, Oskar Reichel und Eduard Kosmack.

Kein Generationenkonflikt. Schiele und Klimt
Vermutlich im Jahr 1907 trat Schiele mit Klimt erstmals in dessen Atelier in der Josefstädter Straße 21 (Wien-Josefstadt) in Kontakt. Es erwuchs daraus eine vor allem für den jungen Künstler wichtige Verbindung: Schiele erkor den Malerfürsten zu seinem Mentor. Schließlich präsentierte Egon 1909 auf Einladung Klimts einige seiner Arbeiten auf der »Internationalen Kunstschau«, darunter etwa das Werk Bildnis des Malers Anton Peschka (1909, Privatsammlung). Deutlich ist darin die Auseinandersetzung mit Klimts Formensprache und der des Jugendstils zu erkennen.

In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Treffen der beiden Maler – Arthur Roesslers Überlieferung nach auch in Schieles Atelier in der Grünbergstraße 31 (Wien-Meidling). Klimt soll dabei die Arbeiten des jungen Künstlers studiert und anerkennend verlautbart haben:

»Um den Ausdruck in den von Ihnen gemalten Gesichtern, da auf den Bildern, beneide ich Sie!«

In der Folge tauschten sie untereinander Blätter aus, Klimt soll auch eine Zeichnung Schieles gekauft haben.

Gemeinsame Ausstellungsbeteiligungen fanden ebenso statt wie zeitweilig gesellige Freizeitaktivitäten, zu denen etwa Kegelrunden im Restaurant Hartmann am Kärntnerring 10 (Wien-Innere Stadt) und vermutlich auch Zusammenkünfte in der Meierei Tivoli (Wien-Meidling) zählten.

Schieles stilistische Entwicklung
Ab 1910 entwickelte sich Schieles eigener und unverkennbarer expressionistischer Stil. Er schlussfolgerte schließlich im November desselben Jahres:

»Ich bin durch Klimt gegangen bis März. Heute glaub ich bin ich der ganz andere.«

1911 hielt sich Schiele mit Wally Neuzil in Krumau, der Geburtsstadt seiner Mutter, auf. Er schuf außergewöhnliche Stadtansichten, Porträts und Selbstbildnisse. Außerdem stellte er erstmals in der Galerie H. O. Miethke aus, die auch Gustav Klimt vertrat.

1912 war Schiele in Neulengbach wohnhaft, wo er mit einer Anklage und Untersuchungshaft wegen angeblicher Entführung und Schändung einer Minderjährigen konfrontiert war, die sich als haltlos erwies. Darüber hinaus stieß sich das Gericht an den in Schieles Atelier vorgefundenen Aktzeichnungen, was ihm schließlich noch drei zusätzliche Tage Haft einbrachte. Im Oktober bezog Schiele schließlich sein Dachatelier in der Hietzinger Hauptstraße 101 (Wien-Hietzing) in unmittelbarer Nähe zu Klimts letztem Atelier in der Feldmühlgasse 11 (ehemals 9). Darüber hinaus lernte Schiele seinen Mäzen Franz Hauer und auf Vermittlung von Klimt Familie Lederer kennen. Vor allem Erich sollte ihn fördern. Schiele schuf in diesem Jahr das Werk Die Eremiten (1912, Leopold Museum, Wien), möglicherweise ein Doppelporträt von ihm selbst und Klimt. Erstmals ausgestellt wurde dieses Gemälde noch im selben Jahr in der »Frühjahrsausstellung« des Hagenbundes.

Zu Jahresbeginn 1913 erfolgte die Aufnahme in den Bund Österreichischer Künstler, dem Klimt als Präsident vorstand. Im Herbst stellte Schiele gemeinsam mit dieser Vereinigung in Budapest aus.

Die Zeit des Ersten Weltkriegs
Ungeachtet der Kriegswirren beteiligte sich Schiele an einer Vielzahl internationaler Schauen und hatte Ende 1914 die »Kollektiv-Ausstellung Egon Schiele« in der Wiener Galerie Arnot, wo er u.a. das Bildnis Friederike Maria Beer (1914, Privatsammlung) präsentierte. Ein Jahr später begann Klimt auf Vermittlung des Malers Hans Böhler Fräulein Beer zu porträtieren.

Der tschechisch-österreichische Fotograf Anton Josef »Antios« Trčka schuf 1914 sowohl von Schiele als auch Klimt eine Serie ausdrucksstarker Porträtaufnahmen. Schiele lernte die Schwestern Harms kennen, Edith heiratete er im Folgejahr.

1916 waren sowohl Klimt als auch Schiele in der Ausstellung »Wiener Kunstschau« in der Berliner Secession vertreten. Klimts Gemälde Tod und Leben (1910/11, überarbeitet: 1912/13, 1916/17, Leopold Museum, Wien) und Schieles Entschwebung (Die Blinden II) (1915, Leopold Museum, Wien) wurden gegenübergestellt präsentiert. Schieles expressionistische Gestaltungsmerkmale treten eindeutig in Erscheinung, aber auch Klimt visualisierte in diesem Werk seinen von Ornamentik geprägten Expressionismus. Im Folgejahr stellten beide Künstler in der Ausstellung »Österrikisk Konstutställning« [Österreichische Kunstausstellung] in Stockholm aus. Darüber hinaus schloss Schiele Bekanntschaft mit dem auch für Klimts Nachlass essentiellen Kunsthändler Gustav Nebehay.

1918: Das Ende beider Ausnahmekünstler
Trotz reger Ausstellungstätigkeit gelang Schiele der künstlerische und finanzielle Durchbruch erst im Jahr 1918 mit der ab März abgehaltenen »XLIX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession«. Kurz zuvor, am 6. Februar, verstarb sein Mentor Gustav Klimt. Schiele fertigte in der Totenkammer drei Zeichnungen des Verstorbenen an und verfasste für die Zeitschrift Der Anbruch einen Nachruf:

»Gustav Klimt. Ein Künstler von unglaublicher Vollendung. Ein Mensch von seltener Tiefe. Sein Werk ein Heiligtum.«

Das für die Schau von Schiele entworfene Plakat, das eine kompositorische Weiterentwicklung seines Gemäldes Die Freunde (Tafelrunde) (1918, Privatsammlung) darstellt, spiegelt Schieles künstlerischen Aufstieg im Kreise wegbegleitender Kunstschaffender wieder. Es wird vermutet, dass Schiele mit dem ihm gegenüber positionierten leeren Sessel auf das Ableben Klimts hinweisen wollte.

Etliche Korrespondenzen mit und Schilderungen von u.a. Arthur Roessler, Anton Peschka, Carl Reininghaus und Ludwig Ullmann belegen Schieles Faszination für Klimt und sein Hietzinger Atelier. In den Monaten nach Klimts Tod versuchte Schiele, den Erhalt dieses Refugiums zu sichern. Seiner Meinung nach war »das Gefüge des Klimt-Hauses selbst ein Kunstwerk, welches nicht zerstört werden dürfte.«. Er wandte sich schließlich auch an Emilie Flöge.

Egon Schiele verstarb am 31. Oktober 1918. Seine letzte Ruhestätte fand er am Friedhof Ober Sankt Veit (Wien-Hietzing).

Literatur und Quellen

  • Egon Schiele Datenbank der Autografen. Biografie (20.04.2020). www.schiele-dokumentation.at/egonschiele.php (20.04.2020).
  • Egon Schiele Datenbank. egonschieleonline.org/ (27.03.2020).
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl: Gustav Klimt und sein »Werkstattgarten«, in: Irmi Soravia (Hg.): Hietzing, Wien 2019, S. 135-146.
  • Sandra Tretter: Ich bin durch Klimt gegangen, in: Johann Thomas Ambrózy, Carla Carmona Escalera, Sandra Tretter, Eva Werth (Hg.): Egon Schiele Jahrbuch, Wien 2019.
  • Birgit Piringer, N.N.: Egon Schiele, in: Meisterwerke Leopold Museum, Wien 2018, S. 248-299.
  • Albert Paris Gütersloh: Egon Schiele. Versuch einer Vorrede, Wien 1911.
  • Arthur Roessler: Erinnerungen an Egon Schiele, in: Fritz Karpfen (Hg.): Das Egon Schiele Buch, Wien 1921, S. 247, S. 279.
  • Alessandra Comini: Egon Schiele. Portraits, Berkeley 1974, S. 290.
  • Christian M. Nebehay (Hg.): Egon Schiele. Leben und Werk in Dokumenten und Bildern, Salzburg - Wien 1980, S. 203.
  • Christian Bauer: Das Egon Schiele Museum in Tulln und die Anfänge des Künstlers, in: Johann Thomas Ambrózy, Eva Werth, Carla Carmona Escalera (Hg.): Egon Schiele Jahrbuch, Band 1, Wien 2011, S. 194-204.
  • Georg Becker, Felizitas Schreier: Zeitzeugen berichten über Klimts Atelier in der Feldmühlgasse, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, Felizitas Schreier, Georg Becker (Hg.): Gustav Klimt. Atelier Feldmühlgasse 1911–1918, Wien 2014, S. 21-22.
  • Sandra Tretter: Klimts Schaffen im Atelier Feldmühlgasse 11, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, Felizitas Schreier, Georg Becker (Hg.): Gustav Klimt. Atelier Feldmühlgasse 1911–1918, Wien 2014, S. 31.
  • N. N.: Egon Schiele. Das Leben und die Kunst, in: Albertina (Hg.): Egon Schiele, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 22.02.2017–18.06.2017, München 2017, S. 345-363.
  • Wolfgang Georg Fischer: Liebe Emilie! Klimt schreibt an Emilie Flöge, in: Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 47-50.
  • Elisabeth Leopold (Hg.): Egon Schiele. Gemälde Aquarelle Zeichnungen, München 2020.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 14.06.2006–24.09.2006, Wien - Köln 2006.
  • Brief vom Bund Österreichischer Künstler in Wien an Franz Čižek in Wien, unterschrieben von Gustav Klimt (19.01.1913). H.I.N. 20.5919, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
  • Brief von Eugenia „Mäda“ Primavesi sen. in Olmütz an Anton Hanak (12.10.1914). Mappe 17.
  • Jane Kallir: Art and Soul, in: Royal Academy of Arts (Hg.): Klimt / Schiele. Drawings from the Albertina Museum, Ausst.-Kat., , 04.11.2018–03.02.2019, London 2018, S. 30-37.
  • Elizabeth Clegg: From Exception to Quintessence, in: Royal Academy of Arts (Hg.): Klimt / Schiele. Drawings from the Albertina Museum, Ausst.-Kat., , 04.11.2018–03.02.2019, London 2018, S. 10-17.
  • Marian Bisanz-Prakken:: The New Message of Line, in: Royal Academy of Arts (Hg.): Klimt / Schiele. Drawings from the Albertina Museum, Ausst.-Kat., , 04.11.2018–03.02.2019, London 2018, S. 18-29.