Familie Primavesi
Otto und Eugenia Primavesi
© APA-PictureDesk
In den 1910er Jahren stand Gustav Klimt mit den Kunstmäzenen Otto und Eugenia (Mäda) Primavesi in engem persönlichen Kontakt. Sie waren langjährige Finanziers der Wiener Werkstätte und kauften mehrere Werke Gustav Klimts.
Der Bankier und Großindustrielle Otto Primavesi und die Schauspielerin Eugenia (Mäda) Primavesi heirateten 1894. Sie lebten mit ihren vier Kindern, Leokadie (Lola), Eugenia (Mäda) jun., Melitta (Litta) und Otto jun. bis zum Ende des Ersten Weltkrieges in Ölmütz (heute: Olomouc, Tschechien), wo auch das Familienunternehmen, ein Bankhaus, seinen Sitz hatte.
Die Familie Primavesi und Gustav Klimt
In den 1910er Jahren intensivierte sich der Kontakt zwischen Gustav Klimt und der wohlhabenden Bankiersfamilie. Diese lud den Künstler – während des Ersten Weltkrieges – mehrmals in ihr neues Landhaus in Winkelsdorf ein, das von Josef Hoffmann entworfen worden war. Dort fanden unter anderem legendäre Hausfeste zu Weihnachten und Neujahr statt, die in Anwesenheit von Gustav Klimt auch fotografisch dokumentiert wurden. Neben Klimt waren auch Anton Hanak und der Architekt des Hauses Josef Hoffmann persönlich mit der Familie Primavesi befreundet. Die drei Künstler reisten daher oft gemeinsam zu den Festen.
Gustav Klimt bei einem Kostümfest in der Kellerstube des Landhauses der Familie Primavesi in Winkelsdorf, vermutlich 30.12.1917-03.01.1918, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien
Im Auftrag der Familie porträtierte Klimt zwischen 1912 und 1914 die Tochter Mäda Primavesi und Eugenia (Mäda) Primavesi. Laut den Erzählungen von Mäda Primavesi reisten die beiden Frauen für die Porträtsitzungen regelmäßig nach Wien. In diesem Zusammenhang schrieb Eugenia Primavesi selbst im Februar 1913 in einem Brief: »Am 18. soll ich wieder sitzen.« Im Sommer 1913 bestätigte Gustav Klimt der Familie schriftlich die erfolgte Anzahlung für die zwei Gemälde in Höhe von 15.000 Kronen (ca. 83.800 Euro). Eines der Gemälde – vermutlich Porträt Eugenia (Mäda) Primavesi (1913/14, Toyota Municipal Museum of Art) – stellte Klimt zu Weihnachten 1913 fertig und sandte es per Eilzug zur Familie nach Olmütz.
Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an Hermann Muthesius, 09.04.1906, Werkbundarchiv - Museum der Dinge: Briefkopf der Wiener Werkstätte, Filiale Neustiftgasse 32
© Werkbundarchiv - Museum der Dinge, Berlin
Besichtigung des Palais Stoclet
1914 kam es auch zu einem gemeinsamen Aufenthalt in Brüssel. Otto und Eugenia Primavesi besuchten zusammen mit dem eng befreundeten Bildhauer Anton Hanak und dem Architekten Josef Hoffmann die Familie Stoclet, bei der Gustav Klimt schon einige Tage verweilte. In einem Brief an Emilie Flöge, datiert mit 18. Mai 1914, berichtete der Künstler über die gemeinsame Besichtigung des fertiggestellten Palais Stoclet:
»Gestern waren Hoffmann und Primavesi’s und Hanak hier bei Stoclet. Sie kamen aus Cöln [!] per Auto […]. Frau Primavesi war „sprachlos“ wie sie mir sagte, über die Schönheit des Hauses.«
Förderer der Wiener Werkstätte
Die Eheleute Primavesi traten insbesonders als Förderer und Finanziers der Wiener Werkstätte in Erscheinung. 1914 beteiligten sie sich als Gesellschafter am Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Otto Primavesi selbst übernahm im Zuge dessen für mehrere Jahre die Geschäftsleitung der Wiener Werkstätte. 1925 überließ Otto Primavesi jedoch alle seine Firmenanteile seiner Ehefrau und verstarb ein Jahr später. Fünf Jahre später schied auch Eugenia Primavesi aus dem Unternehmen aus.
Verkauf der Sammlung
Vermutlich wegen der unrentablen Geschäfte der Wiener Werkstätte und durch den Konkurs des eigenen Bankhauses war die Familie Primavesi gezwungen mehrere Gemälde aus ihrer Klimt-Sammlung zu verkaufen. Darunter befanden sich Gemälde wie Die Hoffnung II (Vision) (1907/08, überarbeitet: vor 1914, The Museum of Modern Art, New York), Litzlberger Keller am Attersee (1915/16, Privatbesitz) und Baby (1917/18 (unvollendet), National Gallery of Art, Washington D.C.). Dies geht unter anderem aus dem Katalog der »Klimt-Gedächtnis-Ausstellung« von 1928 hervor. Eine Ausnahme bildete das Porträt von Eugenia (Mäda) Primavesi. Das Gemälde vermachte Eugenia 1962 ihrer Tochter, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada ausgewandert war. Diese ließ das Gemälde, das sich heute im Besitz des Municipal Museum of Art in Toyota befindet, 1987 in New York versteigern.
Literatur und Quellen
- Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012.
- Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012, S. 621-622, S. 624.
- Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007, S. 296-297, S. 298.
- Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 72-86.
- Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 5, Wien 1997, S. 541.
- Carl Kraus: Mäda Primavesi, in: Tobias G. Natter (Hg.): Klimt and the Women of Vienna's Golden Age. 1900–1918, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 22.09.2016–16.01.2017, London - New York 2016, S. 102-111.
- Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000, S. 126-129.
- Hedwig Steiner: Gustav Klimts Bindung an Familie Primavesi in Olmütz, in: Mährisch-Schlesische Heimat. Vierteljahresschrift für Kultur und Wirtschaft, Heft 4 (1968), S. 242-252.
- Claudia Klein-Primavesi: Die Familie Primavesi und die Künstler Hanak, Hoffmann, Klimt. 100 Jahre Wiener Werkstätte, Wien 2004.