Familie Loew
Ansichtskarte des Sanatorium Loew in der Mariannengasse 20, 1906/07
© Wien Museum
Postkarte zur Bewerbung des Wiener Sanatorium Dr. Anton Loew. Buch- und Kunstdruckerei Josef Gerstmayer, Wien, 1910-1925
© Josephinum - Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin, MedUni Wien
Gustav Klimt: Porträt Gertrud Loew, 1902, The Lewis Collection, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien
Anton Loew, in: Wiener Bilder. Illustrirtes Familienblatt, 18.09.1907.
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Die wohlhabende Familie Loew, die vor allem durch das renommierte Sanatorium Dr. Anton Loew Bekanntheit erlangte, zählte darüber hinaus zu wichtigen Unterstützer:innen der Wiener Moderne. Gustav Klimt und Kolo Moser wurden mit besonderen Aufträgen betraut.
Familie Loew
Der am 20. Oktober 1847 in Pressburg (heute: Bratislava) geborene Mediziner Dr. Anton Viktor Loew war mit Sophie Franziska (geb. Unger), die am 22. Dezember 1854 auf die Welt kam, verheiratet. Dieser Ehe entstammte, nebst weiteren Kindern, die das Erwachsenenalter nicht erreichten, die am 16. November 1883 geborene Tochter Gertrud »Gerta« Franziska Sophie Loew. Im Geburtsjahr konvertierte die jüdische Familie zum römisch-katholischen Glauben.
Anton Loew war passionierter Kunstsammler und ein wichtiger früher Stifter der Wiener Secession, wie aus Alfred Rollers erster Mitgliederliste hervorgeht.
Das Sanatorium Dr. Anton Loew
Der Mediziner führte das von seinem Vater begründete Sanatorium Loew (ab 1882 Mariannengasse 18–20, Wien-Alsergrund), das um die Jahrhundertwende nicht nur eines der vornehmsten, sondern auch das größte Wiener Privatkrankenhaus war. Ab 1906 wurde das Areal um eine äußerst fortschrittliche Frauenheilanstalt in der Pelikangasse 13–15 erweitert. Die Familie wohnte in unmittelbarer Nähe, in der Pelikangasse 7.
Patient:innen des Sanatorium Loew waren sowohl Mitglieder des Adels und Kaiserhauses als auch der Wiener Kunstszene. Erzherzogin Elisabeth Marie Windisch-Grätz, Tochter von Kronprinz Rudolf, unterzog sich hier einer Blinddarmoperation. Ludwig Wittgenstein, Gustav Klimt, Alma Mahler-Werfel und Gustav Mahler suchten dieses Krankenhaus ebenso auf. Der Komponist verstarb hier 1911.
Neben der Leitung dieser Einrichtung begründete Anton Loew gemeinsam mit dem Psychiater Richard Krafft-Ebing gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch jene Heilanstalt in Purkersdorf bei Wien, die 1903 an den Industriellen Victor Zuckerkandl verkauft wurde. Dieser beauftragte wiederum Josef Hoffmann mit der Neukonzeption der als Sanatorium Purkersdorf bekannten Erholungsstätte.
Familie Loew und Gustav Klimt
Die Bekanntschaft zwischen Gustav Klimt und Anton Loew ist nicht nur auf die Rolle des Doktors als Stifter der Secession zurückzuführen, sondern wohl auch auf einen Sanatoriumsaufenthalt des Künstlers. Bildnisstudien aus den späten 1890er Jahren – vermutlich Sophie Loew zeigend – verdeutlichen diesen Kontakt. Schließlich erhielt Klimt im Jahr 1902 den Auftrag für das Gemälde Porträt Gertrud Loew (1902, The Lewis Collection, USA). Das Bildnis der damals 19jährigen Tochter, dessen Farbgebung von Ludwig Hevesi als »die duftigste Lyrik, deren die Palette fähig ist« gerühmt wurde, könnte einerseits als Geburtstagspräsent für den Vater, andererseits auch als Geschenk für das zukünftige Ehepaar Gertrud und Johann Arthur Eisler von Terramare gedacht gewesen sein. Einer der ersten, der diese neue Schöpfung im privaten Rahmen betrachten durfte, war Hermann Bahr. 1903 war er bei Familie Loew eingeladen und hielt dazu in seinem Tagebuch fest:
»[…] Klimt hat jetzt seine Tochter gemalt, weiß mit violetten Schimmern, so wunderbar schwebend und zart, daß [!] man weinen könnte.«
Nach der Vollendung wurde das Porträt 1903 in der »XVIII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession Wien. Kollektiv-Ausstellung Gustav Klimt« gemeinsam mit Judith I (1901, Belvedere, Wien), die ebenso integrativer Bestandteil der Loewschen Klimt-Kollektion war, präsentiert. Auch eine Zeichnung gelangte zur Ausstellung. Anton Loew verfasste dazu am 22. Oktober 1903 ein kurzes Übermittlungsschreiben auf einer seiner Visitkarten:
»[Anton Loew] übersendet die gewünschten Werke Klimt’s [!] mit dem höflichen Ersuchen dieselben im Katalog ohne Namen und als ›Privatbesitz‹ und ›Damenporträt‹ zu bezeichnen […].«
1904 wurde das Porträt in der »Großen Kunstausstellung Dresden« gezeigt, im Folgejahr gemeinsam mit Judith I in der »II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes« in Berlin. Ende 1912 folgte eine weitere Präsentation im Rahmen der »Porträtausstellung« im Volksheim Ottakring. Wenige Monate nach dem Ableben Klimts fanden beide Gemälde außerdem Eingang in die Schau »Ein Jahrhundert Wiener Malerei« im Kunsthaus Zürich.
Unabhängig der Präsentation in Ausstellungen hatte das Porträt seinen permanenten Aufstellungsort in der Eingangshalle der Wohnung in der Pelikangasse.
Familie Loew und Kolo Moser
Im Februar 1903 fand die Eheschließung zwischen Gertrud Loew und dem Konservenunternehmer Dr. Johann Arthur Eisler von Terramare statt. Das Paar residierte ab spätestens 1904 im Haus Ölzelt am Wiener Schottenring (Schottengasse 10, Wien-Innere Stadt). Die exquisiten Möbeldesigns dieser Wohnung stammten von Kolo Mosers Hand. Die Ausführung erledigte die Wiener Werkstätte. Es handelte sich hierbei um den ersten prestigeträchtigen Großauftrag der neu gegründeten Produktionsgemeinschaft.
Neben dem innovativen und auf die Eigentümer symbolisch abgestimmten Design des Mobiliars kam Moser der Idee des Gesamtkunstwerkes auf zusätzliche Weise nach, indem er sechs Zeichnungen von Klimt, die für das Schlafzimmer vorgesehen waren, mit an die Einrichtungsgegenstände angepassten Rahmen versah. Dass das Gesamtkonzept den Eindruck eines Moser-Klimt Konglomerats erweckte, schlussfolgerte schließlich Berta Zuckerkandl in der Zeitschrift Dekorative Kunst:
»Am stärksten tritt die Affinität mit Klimt hervor. Hier herrscht das gleiche Ideal von Typus, von Raum und Linienempfindung, von Farbakkorden, von differenzierten, eigennervigen und eigenrassigen Sensationen, eine Gleichheit der Persönlichkeiten […].«
Die Porträtierte im Fokus. Gertrud Loew – Gertrud Felsövanyi
Bereits um 1906 trennte sich Gertrud von Eisler von Terramare, offiziell geschieden waren sie ab 1910. Die Wohnung in der Schottengasse wurde aufgelöst, einzelne Stücke von Mosers Mobiliar erhielt Dr. Armand Hötzl, ärztlicher Direktor des Sanatorium Loew. Am 14. September 1907 verstarb Dr. Anton Loew, seine Tochter wurde Hauptgesellschafterin des Sanatoriums. Durch testamentarische Veranlassungen war ihr finanzielle Unterstützung gewiss.
Im April 1912 heiratete Gertrud den aus Ungarn stammenden Unternehmer Elemér Baruch Felsövanyi de Felsö-Ványi. Aus dieser Ehe stammten drei Kinder. Die Jahre des Ersten Weltkrieges und der Zwischenkriegszeit verbrachte Familie Loew ohne außergewöhnliche Vorkommnisse, bis schließlich 1923 Gertruds Mann verstarb. Zehn Jahre später, am 24. Dezember 1933, starb ihre Mutter.
Die Zeit des Nationalsozialismus war für Familie Loew mit erheblichen Einbußen verbunden. Das renommierte Privatkrankenhaus musste 1938 schließen und wurde liquidiert. 1939 reiste die trotz ihres römisch-katholischen Religionsbekenntnisses von den Nationalsozialisten als Jüdin verfolgte Felsövanyi über Belgien und die USA zunächst nach Kolumbien. Ihr Hab und Gut, dies betraf auch die Kunstsammlung, musste sie in Österreich zurücklassen. Es kam zur Enteignung, Auflösung und zum Verkauf. Um 1940 folgte die Übersiedlung in die USA, wo sie gemeinsam mit ihrem Sohn Anton bis zu ihrem Lebensende blieb. Am 3. März 1964 verstarb Gertrud Felsövanyi in Kalifornien.
Das Schicksal des Gemäldes Porträt Getrud Loew
2014 wurde von der Klimt-Foundation, in die das Gemälde 2013 eingebracht wurde, ein Provenienzdossier in Auftrag gegeben. Darin wurde erläutert, dass sich die näheren Umstände der Veräußerung des Gemäldes zwar nicht rekonstruieren ließen, es aber anzunehmen sei, dass das Werk noch während der NS-Zeit von Gustav Ucicky, dem ersten unehelichen Sohn Klimts und Filmregisseur, erworben worden war. Ein unabhängiges, juristisches Gremium kam zur Ansicht, dass das Bild zu restituieren wäre, fände das Restitutionsgesetz des Bundes seine Anwendung. Schließlich erzielte die Klimt-Foundation mit Familie Felsövanyi eine Lösung im Sinne der Washington Principles. 2015 gelangte das Gemälde außerhalb Österreichs zur Versteigerung.
Literatur und Quellen
- Ludwig Hevesi: Acht Jahre Sezession (März 1897–Juni 1905). Kritik – Polemik – Chronik, Wien 1906, S. 443.
- Sophie Lillie: Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 357-359.
- Gerd Pichler: Kolo Mosers »Wohnung für ein junges Paar« - Gerta und Dr. Hans Eisler von Terramare, in: Rudolf Leopold, Gerd Pichler (Hg.): Koloman Moser 1868−1918, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 25.05.2007–10.09.2007, München 2007, S. 174-201.
- Sandra Tretter: Parallele Welten. Gustav Klimts Korrespondenz an Maria Ucicka im Kontext gelesen, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Chiffre: Sehnsucht – 25. Gustav Klimts Korrespondenz an Maria Ucicka 1899–1916, Wien 2014, S. 9-68.
- Ernst Ploil: The Portrait of Gertha Loew, in: Tobias G. Natter (Hg.): Klimt and the Women of Vienna's Golden Age. 1900–1918, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 22.09.2016–16.01.2017, London - New York 2016, S. 96-101.
- Ilse Korotin (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Band 1, Wien - München 2016, S. 804-805.
- Berta Zuckerkandl: Koloman Moser, in: Dekorative Kunst, illustrierte Zeitschrift für angewandte Kunst, Band 12, 1903 / 1904, München 1904. daten.digitale-sammlungen.de/0008/bsb00087521/images/index.html (08.05.2020).