Familie Lederer

Martin Gerlach: Einblick in die Wohnung Serena und August Lederer, 1920er - 1930er, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Porträt Elisabeth Lederer, 1916, Privatbesitz
© Klimt-Foundation, Wien

Martin Gerlach: Einblick in die Wohnung Serena und August Lederer, 1920er - 1930er, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Freundinnen II, 1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Max Eisler (Hg.): Gustav Klimt. Eine Nachlese, Wien 1931.
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Gartenweg mit Hühnern, 1916, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt
© Klimt-Foundation, Wien

Schloss Immendorf
© Klimt-Foundation, Wien

Familie Lederer zählte zu den wichtigsten Mäzenen Gustav Klimts. In ihrer erlesenen Kunstsammlung befanden sich neben Hauptwerken, die repräsentativ für unterschiedliche Perioden des Jugendstilkünstlers standen, etliche seiner Zeichnungen. Der Großteil dieser umfangreichen Sammlung wurde durch den verheerenden Brand auf Schloss Immendorf vernichtet.

Der am 3. Mai 1857 geborene jüdische Großindustrielle August Lederer sicherte durch die Übernahme und Leitung der Raaber (heute: Györ) und Jungbunzlauer Spirituosenfabriken sein Vermögen. Er war mit der am 20. Mai 1867 geborenen Serena (Szerena, Sidonie) Pulitzer verheiratet. Die von Josef Hoffmann als »bestangezogene Frau Wiens« bezeichnete Grande Dame war die treibende Kraft hinter dem Aufbau der exquisiten Familiensammlung. Der Ehe entstammten eine Tochter, Elisabeth, die am 20. Jänner 1894 auf die Welt kam, und zwei Söhne, Erich, geboren am 13. September 1896, sowie Friedrich, geboren am 30. Juni 1899. Vor allem Elisabeth und Erich waren der Kunst eng verbunden.  

Gustav Klimt und Familie Lederer
Wenngleich die Abbildung von Serenas Antlitz in Klimts Zuschauerraum im Alten Burgtheater in Wien (1888, Wien Museum, Wien) bereits einen ersten Kontakt mit seiner zukünftigen Gönnerin dargestellt hatte, kennzeichnete spätestens der Auftrag für das Gemälde Porträt Serena Lederer (1899, The Metropolitan Museum of Art, New York) kurz vor der Jahrhundertwende den Auftakt eines nahezu 20 Jahre andauernden Bündnisses. Weitere Familienbildnisse folgten wie Porträt Elisabeth Lederer (1914–1916, Privatbesitz) sowie das der Mutter Serenas, Porträt Charlotte Pulitzer (1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen). Als Klimt mit diesem Abbild betraut war, dürfte er sich in einer finanziell prekären Lage befunden haben, sodass er Serena schrieb:

»Hochverehrte Gnädige! Ein blöder Brief – Verzeihung? Den Zufall kennen Sie! Das Bild wird Dienstag oder Mittwoch fertig – der schäbige Rest des Honorars wird dann auch fällig – ich warte darauf wie der Teufel – auf eine arme Seel‘! […] Bis dahin sind es noch einige armselige Tage – könnte ich also früher schon 2000 bis 3000 Kronen haben […]«.

August Lederer unterstützte Klimt indirekt beim Ausstieg aus dem seit 1894 zu bewerkstelligenden und im Verlauf der Jahre aufzehrenden Auftrag zu den Deckengemälden für den Großen Festsaal (ehemals: Aula) der Universität Wien. 1905 ging das Fakultätsbild Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) samt Ölskizze in den Besitz der Familie Lederer über. 1919 konnte Lederer nach dem Tod Klimts und Kolo Mosers schließlich auf Vermittlung Egon Schieles noch Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) für seine Sammlung gewinnen. Der Kompositionsentwurf zu diesem Fakultätsbild befand sich bereits seit 1905 in Familienbesitz.

Klimt und Familie Lederer pflegten freundschaftlichen Kontakt. Regelmäßig kehrte der Künstler zu Mittagstisch und Abendmahl ein und nahm an den gesellschaftlichen Highlights, den Salons, teil. Auch an ihrem Wohnsitz in Györ besuchte er sie des Öfteren. Über Jahre hinweg gab der Jugendstilkünstler Serena Zeichenunterricht, wie Schiele 1912 an Arthur Roessler berichtete: »Die Frau L. [Lederer] war durch 14 Jahre die Schülerin Klimts und kann daher auch viel, aber natürlich uneigen und unschöpferisch.« Auch die Tochter, Elisabeth, verfügte über künstlerisches Talent, das Klimt förderte. Sie begann zudem im Alter von 15 Jahren eine Ausbildung an der k. k. Kunstgewerbeschule u.a. bei Michael Powolny. Klimt vermittelte wiederum Schiele an Familie Lederer, der vor allem in Erich seinen Unterstützer finden sollte.

Die Kunstsammlung der Familie Lederer und ihr tragisches Schicksal
Familie Lederer verfügte über mehrere Immobilien, zu denen auch das heute nicht mehr existente Ledererschlössl (Wien-Penzing) sowie der Wohnsitz in Györ zählten. Der Hauptwohnsitz befand sich in der Bartensteingasse 8 (Wien-Innere Stadt), unweit von Gustav Klimts zwischen 1890 und 1911 genütztem Atelier in der Josefstädter Straße 21 (Wien-Josefstadt). Ein Großteil der umfangreichen Sammlung war in dieser Wohnung untergebracht. Für Klimts Die Philosophie und weitere Werke war ein eigens dafür geschaffener Raum vorgesehen. Josef Hoffmann, Kolo Moser und Georg Klimt zeichneten dafür verantwortlich.

Abgesehen von erwähnten Familienporträts und den Fakultätsbildern befanden sich in der Sammlung Lederer die Werke: Die Musik (1897/98, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Schubert am Klavier (1899, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Der Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien), Aus dem Reich des Todes (Zug der Toten) (1903, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen), seine Landschaftsgemälde Der goldene Apfelbaum (1903, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Bauerngarten mit Kruzifix (1912, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Malcesine am Gardasee (1913, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen), Gartenweg mit Hühnern (1916, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) sowie Wasserschlangen I (Pergament) (1904, überarbeitet: vor 1907, Belvedere, Wien), Freundinnen II (1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Bildnis Wally (1916, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Leda (1917, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) und Gastein (1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen). Zudem kaufte Serena Lederer nach Klimts Tod bei Gustav Nebehay im Jahr 1919 ein weiteres umfangreiches Konvolut an Zeichnungen an. Noch im selben Jahr veranlasste sie über den Verlag Gilhofer & Ranschburg den Druck einer Faksimileedition mit den 25 schönsten Exemplaren.

Der aufkeimende Nationalsozialismus bedeutete nicht nur immense Repressalien für Familie Lederer. Im Jahr 1939 wurde auch das Schicksal der umfangreichen Sammlung besiegelt – es kam zur Enteignung. 1943 wurde unter Anleitung von Baldur von Schirach der Großteil der Klimt-Gemälde in der Gedächtnisschau »Gustav Klimt. Ausstellung« in der Wiener Secession – nun unter der Bezeichnung Ausstellungshaus Friedrichstraße bekannt – präsentiert. Die Schau wurde aufgrund drohender Bombengefahr jedoch frühzeitig beendet. Es erfolgte die Einlagerung des Großteils der Sammlung Lederer – Teil davon waren auch Werke anderer Kunstschaffender – auf dem niederösterreichischen Schloss Immendorf. In den letzten Kriegstagen im Mai des Jahres 1945 ereignete sich einer der verheerendsten Kulturgüterverluste Österreichs. Ein Brand vernichtete die auf dem Schloss eingelagerten Objekte.
Die Gemälde Porträt Serena Lederer und Porträt Elisabeth Lederer tauchten nach Kriegsende am Kunstmarkt auf und sollten 1948 im Wiener Dorotheum versteigert werden. Von der Veräußerung wurde jedoch abgesehen. Beide Werke wurden schließlich an Erich Lederer restituiert.

Das Schicksal der Familie Lederer
August Lederer verstarb am 30. April 1936 in Wien. Serena Lederer starb am 27. März 1943 in Budapest, wohin sie emigrieren musste. Elisabeth, die sich 1938 von ihrem Mann Wolfgang Freiherr von Bachofen von Echt scheiden hatte lassen und durch einen fingierten Abstammungsbescheid, der Gustav Klimt als ihren leiblichen Vater auswies, der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entkommen war, erlag am 19. Oktober 1944 einer schweren Krankheit. Die Söhne Erich und Friedrich überlebten im Exil die Schreckenszeit des Zweiten Weltkrieges. Friedrich starb am 21. März 1972. Erich bemühte sich bis in die 1970er Jahre vergeblich um die Restitution des umfangreichen Beethovenfrieses. Er verstarb am 19. Jänner 1985 in Genf. Ihre letzte Ruhe fand Familie Lederer in ihrer Gruft am Hietzinger Friedhof, auf dem auch Gustav Klimt begraben wurde.

Literatur und Quellen

  • Christian M. Nebehay: Gustav Klimt. Sein Leben nach zeitgenössischen Berichten und Quellen, Wien 1969, Zeile 142-143.
  • Christian M. Nebehay: Gustav Klimt, Egon Schiele und die Familie Lederer, Bern 1987.
  • Sophie Lillie: Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 657-671.
  • Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938, Band 2, Wien 2016, S. 1783-1788, S. 2579-2592.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 111-139.
  • Karteikarte Nr. 31 der Galerie H. O. Miethke über den Verkauf einer Ölskizze für »Die Jurisprudenz« (02/18/1905).
  • Karteikarte Nr. 32 der Galerie H. O. Miethke über den Verkauf einer Ölskizze für »Die Philosophie« (02/18/1905).
  • Brief von Egon Schiele in Györ an Arthur Roessler (24.12.1912). H.I.N. 180.671.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Wien (27.10.1915). Autogr. 959/51-6, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
  • Else Hofmann: Die Bildhauerin Elisabeth Bachofen-Echt, in: Österreichische Kunst, 5. Jg., Heft 4 (1934), S. 8-9.
  • N. N.: Brief von Gustav Klimt an Serena Lederer, vermutlich 1917, Verbleib unbekannt, in: Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 126.