Familie Bloch-Bauer
Adele Bloch-Bauer, fotografiert von Friedrich Viktor Spitzer, 1906, in: Photographische Rundschau und photographisches Centralblatt. Zeitschrift für Freunde der Photographie, 22. Jg., Heft 3 (1908).
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Gustav Klimt: Porträt Adele Bloch-Bauer I, 1907, Neue Galerie New York, Acquired through the generosity of Ronald S. Lauder, the Heirs of the Estates of Ferdinand and Adele Bloch-Bauer, and the Estée Lauder Fund
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Adele Bloch-Bauer: Brief von Adele Bloch-Bauer in Elbekosteletz an Julius Bauer, 22.08.1903, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Teilnachlass Julius Bauer
© Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek
Gustav Klimt: Porträt Adele Bloch-Bauer II, 1912, Privatbesitz, courtesy of HomeArt
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Die wohlhabende Familie Bloch-Bauer zählte zu den wichtigsten Förderern Gustav Klimts. Mit dem Auftragswerk Porträt Adele Bloch-Bauer I schuf der Jugendstilkünstler eine der Ikonen seiner Goldenen Periode. Es steht sinnbildlich für die unzähligen Enteignungen im Zuge des Nationalsozialismus und den oftmals verfahrensintensiven Restitutionen.
Die Familien Bloch und Bauer
Der aus einer Prager Zuckermagnaten-Dynastie stammende Ferdinand Bloch wurde am 16. Juli 1864 in Jungbunzlau (heute: Mladá Boleslav) geboren. Er leitete eine der größten Zuckerfabriken Mitteleuropas. Neben seinem sozialpolitischen Engagement und seiner Sammeltätigkeit war er förderndes Mitglied des Österreichischen Staatsgalerievereins, dem späteren Verein der Museumsfreunde. Adele Bauer, Tochter des Generaldirektors des Wiener Bankvereins, Moriz Bauer, kam am 9. August 1881 in Wien zur Welt. Im Dezember 1899 heirateten der 35jährige Ferdinand Bloch und die 18jährige, ebenfalls sozialpolitisch engagierte Adele Bauer. Die Verbindung dieser beiden jüdischen Familien wurde durch die Hochzeit zwischen Adeles Schwester, Theresia, und Ferdinands Bruder, Gustav, noch zusätzlich gestärkt. Beide Ehepaare trugen ab Februar 1917 den Doppelnamen Bloch-Bauer. Ferdinand und Adele hatten keine Kinder.
Ihr gesellschaftliches Ansehen nutzten sie zur Etablierung eines Salons, in welchem sich die intellektuelle und künstlerische Elite Wiens traf. Neben politischen Persönlichkeiten der Sozialdemokratie, die Adele auch finanziell unterstützte, waren Gustav Mahler, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig oder etwa auch Richard Strauss gern gesehene Gäste. Durch diese Verbindungen traten sie zudem mit Gustav Klimt in Kontakt.
Gustav Klimt und seine »märchenhaften Kombinationen für das Auge«
Bereits 1903 erhielt das Malergenie den Auftrag für das Gemälde Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie New York), das ursprünglich als Hochzeitstaggeschenk für Adeles Eltern gedacht war. Sie skizzierte dazu in einem Brief von 22. August 1903 an den mit ihr befreundeten Journalisten Julius Bauer:
»[…] Ursprünglich wollten wir Kinder ein gemeinsames Geschenk präsentieren, sind aber gänzlich davon abgekommen. Mein Mann hat sich dann entschlossen mich von Klimt porträtieren zu lassen […]«.
Ab dem Winter desselben Jahres erarbeitete Klimt schließlich in mehr als 100 akribischen Detailstudien, jenes goldene »Idol im funkelnden Tempelschrein« – wie es Berta Zuckerkandl treffend beschrieb – das u.a. auf die in diesem Jahr von Klimt besichtigte Mosaikkunst Ravennas und Venedigs referenziert. Erst 1907 stellte er es fertig.
»Frau Bloch sagt dass ich gut aussehe« Gustav Klimt und das Ehepaar Bloch-Bauer
Klimt traf das Mäzenatenehepaar regelmäßig, etwa bei gemeinsamen Abendessen oder Besuchen von Konzerten und Ausstellungen. 1910 wohnten der Maler und Adele gemeinsam mit u.a. Alfred Roller, Kolo und Editha Moser und Carl Otto Czeschka der zweiten Aufführung von Gustav Mahlers VIII. Symphonie bei. Der Konzertbesuch fand im Rahmen einer Ausstellung in München statt.
1912 hielt Klimt Adele ein zweites Mal im Werk Porträt Adele Bloch-Bauer II (1912, Privatbesitz) fest. Dieses im Vergleich zum ersten Gemälde oppositionelle Werk besticht durch seine fauvistische, floral geprägte Buntfarbigkeit und asiatische Ornamentik. In diesem Jahr besuchte Klimt Familie Bloch-Bauer, wie auch schon im September 1911, auf ihrem Anwesen in Jungfernbreschan (heute: Panenské Břežany) in der Nähe von Prag. Klimt schrieb Emilie Flöge eine Ansichtskarte am 15. November 1912 auf dem Weg dorthin. Bei diesen gesellschaftlichen Zusammenkünften waren zumeist mehrere Gäste geladen. Ein besonderes Ereignis waren die »Hühnerjagden«, von denen Klimt Emilie ebenso berichtete.
Die Sammlung der Familie Bloch-Bauer
Neben den beiden Porträts von Adele waren Klimts Werke Birkenwald (Buchenwald) (1903, Privatbesitz), Schloss Kammer am Attersee III (1910, Belvedere, Wien), Apfelbaum I (Kleiner Apfelbaum) (um 1912, Privatbesitz), Häuser in Unterach am Attersee (1915/16, Privatbesitz) sowie vermutlich ab 1928 bis 1939 auch Porträt Amalie Zuckerkandl (1917/18 (unvollendet), Belvedere, Wien) Bestandteil dieser Sammlung. Darüber hinaus besaß Familie Bloch-Bauer auch mehrere Zeichnungen von Klimt, wie die Karteikarte 355 der Galerie H. O. Miethke belegt. Die Sammelleidenschaft war generell weit gediehen, so befanden sich ebenso Arbeiten von Ferdinand Georg Waldmüller und Emil Jakob Schindler sowie Objekte aus Porzellan und Silber in der Kollektion.
Die Jahre nach Klimts Tod
Der Erste Weltkrieg bedingte eine Übersiedlung der Bloch-Bauers auf ihr Schloss in Jungfernbreschan sowie die Annahme der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft. Darüber hinaus fungierte dieses Anwesen als ihr Hauptwohnsitz. Außerdem verfügten sie weiterhin über eine Wohnung in der Schwindgasse 10 (Wien-Wieden). 1919 kaufte Ferdinand ein Palais in der Elisabethstraße 18 (Wien-Innere Stadt). In diesem Jahr wurden der Österreichischen Staatsgalerie (heute: Belvedere, Wien) die Porträts von Adele und die vier im Besitz befindlichen Landschaften Klimts als Leihgaben für Ausstellungszwecke zugesprochen. Zu Beginn des Jahres 1920 wurden sie jedoch wieder in die Residenz der Bloch-Bauers zurückgestellt und erhielten ihren Platz im sogenannten »Klimt-Zimmer«.
Bis zu ihrem Tode forcierte Adele ihre Rolle als mondäne Salonière einerseits und Unterstützerin der sozialistischen Arbeiterbewegung andererseits. Sie verstarb schließlich am 24. Jänner 1925 und wurde auf dem Urnenfriedhof in Wien-Simmering bestattet. In ihrem Testament hielt sie fest, dass die Klimt-Gemälde nach dem Tod ihres Mannes an die Österreichische Staatsgalerie gehen sollten.
Ferdinand Bloch-Bauer engagierte sich nach dem Ableben seiner Ehefrau weiterhin für die Kunst. Er erweiterte seine Sammlung und stellte Werke für diverse Schauen, wie etwa für die »Klimt-Gedächtnisausstellung« in der Wiener Secession im Jahr 1928 zur Verfügung.
Der aufkeimende Nationalsozialismus und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zwangen ihn schließlich zur Flucht nach Prag und zur Emigration in die Schweiz. Sein Vermögen wurde konfisziert. 1939 wurde die Sammlung enteignet und aufgelöst. Ferdinand Bloch-Bauer verstarb am 13. November 1945 in Zürich. Seine Asche wurde ebenfalls im Urnenhain des Krematoriums Simmering beigesetzt. In seinem zuvor verfassten Testament hielt er fest, dass sein Nachlass an seine Nichten Louise Baronin Gutmann, Maria Altmann und seinen Neffen Robert Bentley übergehen sollte. Die Enteignung der erlesenen Sammlung Bloch-Bauer und Ignoranz des Testamentes von Ferdinand Bloch-Bauer führten schließlich zu einem langwierigen Rechtsstreit, der – abgesehen von wenigen vorangegangenen Rückgaben – 2006 in die längst überfällige Restitution der Klimt-Gemälde an Maria Altmann mündete.
Literatur und Quellen
- Berta Zuckerkandl: Die Kunstschau 1908, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 06.06.1908, S. 4.
- Ludwig Hevesi: Altkunst – Neukunst, Wien 1909, S. 207.
- Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 87-99.
- Sophie Lillie: The Golden Age of Klimt. The Artist’s Great Patrons: Lederer, Zuckerkandl and Bloch-Bauer, in: Renée Price (Hg.): Gustav Klimt. The Ronald S. Lauder and Serge Sabarsky Collections, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 18.10.2007–30.06.2008, München 2007, S. 54-89.
- Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938, Band 1, Wien 2011, S. 104-107.
- Hubertus Czernin: Die Fälschung. Der Fall Bloch Bauer und das Werk Gustav Klimts. Band 2, Wien 1999.
- Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000.
- Tobias G. Natter (Hg.): Klimt and the Women of Vienna's Golden Age. 1900–1918, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 22.09.2016–16.01.2017, London - New York 2016.
- Agnes Husslein-Arco, Jane Kallir, Alfred Weidinger (Hg.): Klimt, Schiele, Kokoschka und die Frauen, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 22.10.2015–28.02.2016, München 2015.
- Leonhard Weidinger: Lexikon der Provenienzforschung. Ferdinand Bloch-Bauer. www.lexikon-provenienzforschung.org/bloch-bauer-ferdinand (02.09.2022).
- Lisa Silverman: Gustav Klimt, Adele Bloch-Bauer I. www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/geteilte-geschichte/340148/gustav-klimt-adele-bloch-bauer-i/ (02.09.2022).
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wodolka an Emilie Flöge am Semmering (15.11.1912). RL 2868, Leopold Privatsammlung.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge am Semmering, 1. Karte (Morgen) (28.02.1912). RL 2854, Leopold Privatsammlung.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wodolka an Emilie Flöge in Wien (27.09.1911). RL 2845, Leopold Privatsammlung.
- Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Wien (presumably late September 1911). Autogr. 959/54-2, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
- Eintrittskarte zur »Ausstellung München 1910« unterschrieben von Gustav Klimt, Alma Mahler, Kolo Moser, Editha Moser, Adele Bloch-Bauer, Alfred Roller, Max Reinhardt, Anna Moll, Josef Maria Auchentaller und Carl Otto Czeschka (13.09.1910). MKG Archiv, NL Czeschka, Bestand Angelika Spielmann Karton 13 A, Mappe 5_2.
- Karteikarte Nr. 355 der Galerie H. O. Miethke über den Verkauf von 16 Skizzen (07/17/1906).
- Brief von Adele Bloch-Bauer in Elbekosteletz an Julius Bauer (22.08.1903). Autogr. 577/52-1, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.